Vom Ordnen und Sammeln – Der ICOM-Tag im Sammlungsdepot in Heusenstamm

Vom Ordnen und Sammeln – Der ICOM-Tag im Sammlungsdepot in Heusenstamm

Seit inzwischen mehr als 15 Jahren feiert das Museum für Kommunikation Frankfurt den ICOM-Tag in der Sammlung in Heusenstamm. Wie ist das für die Abteilung Sammlung, dass der ICOM-Tag, der sich im Lauf der Jahre zum Tag der offenen Tür entwickelt hat, erstmals ausfällt? Die offenen Türen des Sammlungsdepots bieten insbesondere Sammler*innen und Fachleuten die seltene Möglichkeit, einen Einblick in den Variantenreichtum und verschaffen ihnen den Zugang zu den sonst nicht sichtbaren Objekten ihrer Forschungen und ihres Interesses.

Frank Gnegel, Leiter der Sammlung, schätzt es besonders, dass „viele Menschen, die uns etwas schenken, das ihren Großeltern gehört hat, die Objekte hier in Heusenstamm sehen können.“ Denn nicht alle Gaben von großzügigen Schenker*innen haben die Möglichkeit eine Bühne im Museum zu bekommen. Auch wenn es die Besucher*innen oft gar nicht so wahrnehmen, in der Sammlung sind die Objekte nicht didaktisch aufbereitet. Sie sind sorgfältig verwahrt, aber nicht inszeniert und ihre Präsentation folgt keinem kuratorischen Konzept. Es handelt sich um eine Schausammlung. Ein Gespräch zwischen Frank Gnegel und Corinna Engel, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit des Museums für Kommunikation Frankfurt, über Sammeln in Zeiten von Corona. 

Corinna Engel: Wie arbeitet die Sammlung in Corona-Zeiten? Gibt es neue Schwerpunkte oder Konzepte?

Frank Gnegel: Mit seinen 15.000 Quadratmetern ist das Sammlungsdepot in Heusenstamm der größte Magazinstandort der Museumsstiftung. Die wenigen Mitarbeiter*innen verlieren sich zwischen den Exponaten, sie können die Abstandsregeln gut einhalten. Da wir viel dokumentierend und forschend tätig sind, können wir gut allein arbeiten: Fotograf*in, Dokumentar*in, Registrar*in und Wissenschaftler*in reichen die Objekt zwischen sich weiter, persönliche Kontakte können sie meiden.

Rückblick auf den ICOM-Tag 2019

CE: Hat sich das Sammeln in den letzten Wochen verändert?

FG: Wir merken, dass die Menschen aufräumen und uns werden sehr viele Objekte angeboten. Was uns auch auffällt, ist, dass die Leute nun viel Zeit haben. Diejenigen, die sich hobbymäßig oder in der nachberuflichen Phase mit Kommunikations-Themen beschäftigen, stellen vermehrt Anfragen: Radiosammler*innen oder Tech-Enthusiast*innen wollen ihre Interessenschwerpunkte vertiefen und wenden sich an uns.

CE: Insbesondere Stadtmuseen rufen die Bevölkerung auf, Objekte mit Geschichten einzusenden, die die Pandemie dokumentieren, ist so etwas auch von der Sammlung. geplant? Im Sinne einer Dokumentation der Mediennutzung durch Corona?

FG: Noch gibt es zwar keinen Ort auf unserer Webseite, wo die interessierte Öffentlichkeit Geschichten einreichen kann, aber wir arbeiten daran. Im Unterschied zu Stadtmuseen, die die persönliche Situation der Bewohner*innen einer Stadt in Verbindung mit einem besonderen Objekt sammeln wollen, geht es uns um den Bezug zur Kommunikation und damit auch zur Kommunikationstechnik bzw. dem Kommunikationsmittel, also Objekten, die physisch vorhanden sind. Zur Kategorie der Objekte, mit denen Personen kommunizieren gehören beispielsweise „Corona Shake-Hands“. Das ist ein physisch dreidimensionales Objekt, um Händeschütteln zu imitieren und so die Freundlichkeit trotz der Einhaltung physischer Distanz ermöglicht.

Wir sammeln auch aktiv digitale Objekte, die in der Corona-Zeit wichtig geworden sind. Das sind zum Beispiel Tracking-Devices, smarte Objekte, die Daten sammeln, wie Fieberthermometer, die anonymisiert Daten aus aller Welt an eine zentrale Stelle senden und nach Auswertung der Daten werden diese dann zur Vorausschau und Planung eingesetzt. Oder Objekte, die demjenigen, der sie verwendet, dem User, individuelle Gesundheitsvoraussagen erlauben. Es gibt eine Vielzahl smarter Geräte, die wie Fitnessarmbänder funktionieren. Wir haben einen Ring erworben, den man am Finger trägt und der permanent die Temperatur misst und ein Profil entwickelt. Auch haben wir ein Unternehmen recherchiert, das einen Fertilitäts-Tracker umgewidmet hat und als Voraussageinstrument einsetzt. 

Eine weitere Sorte von Objekten, die wir sozusagen als Reflex auf Corona sammeln, sind solche, die die Ausbreitung verhindern: Dazu gehören ein smartes Armband, das durch Brummen daran erinnert, dass sich die oder der Träger*in ins Gesicht fasst oder auch ein Abstandswarner in der Art eines Namensschildes, das an die Kleidung geheftet ein Signal ertönen lässt, wenn sich ein Hindernis dichter als 1,50 Meter nähert. Eine weitere höchst spannende Kategorie sind Objekte aus Hongkong und Bahrain, mit denen die Behörden die Bevölkerung ausstatten, um die Pandemie einzudämmen und zu kontrollieren. Wir würden sie als Überwachungstools bezeichnen.

CE: Das Thema des ICOM-Tages ist Inklusion, was haben die Besucher*innen verpasst und wird es einen Nachholtermin geben?

FG: Wir haben schon immer Objekte gesammelt, in denen es um Inklusion ging. Für Menschen mit Einschränkungen wurden in der Kommunikationsgeschichte seit jeher Angebote entwickelt, die ihnen Kommunikation ermöglichen oder sie vereinfachen. In unserer Sammlung haben wir Gehörlosen-Telefone, Schreibmaschinen für Braille-Schrift oder auch die barrierefreie Telefonzelle, die meine Kollegin Lioba Nägele hier im Blog vorgestellt hat. Ob wir den ICOM-Tag als Tag der offenen Tür nachholen, steht noch nicht fest. Doch wir haben ein schönes Digitalangebot für alle Heusenstamm-Aficionados entwickelt: Ab Sonntag wird es möglich sein, mittels eines Audiowalks digital durch die Sammlung zu wandern. Wir freuen uns auf diese digitale Variante des ICOM-Tages.

Interview: Corinna Engel, 16. Mai 2020

Allein mit den Telefonschafen

Allein mit den Telefonschafen

Ein Kurzinterview mit unseren beiden neuen Empfangsmitarbeiter*innen

Unsere beiden neuen Empfangsmitarbeiter*innen haben vor sechs Wochen höchst motiviert ihren ersten Arbeitstag angetreten und dann kam leider alles anders als gedacht. Der Lockdown bedeutete für die beiden Einarbeitung unter erschwerten und ungewöhnlichen Bedingungen. In einem kurzen Interview erzählen sie euch, auf was sie sich – gemeinsam mit unseren Telefonschafen – am meisten freuen. Die beiden Kolleg*innen sind übrigens auch unsere #heroesMW in der Museumsweek, die diese Woche startet. 

Nina Voborsky: Ihr habt die Stelle als Empfangsmitarbeiter*in im Besucherservice während des Corona Lockdowns angetreten. Wie fühlt sich das nach all den Wochen ohne Publikumsverkehr an, wenn am 12. Mai endlich die Türen öffnen?

Anne: „Endlich ist ein gutes Stichwort: Wir freuen uns schon sehr auf die Museumsgäste. Und für mich persönlich war es schon sehr komisch, in den letzten Wochen im leeren Museum zu stehen. Ich habe ja schon ein paar Jahre hier im Team Bildung und Vermittlung mitgearbeitet, also viele Führungen und Workshops gehalten und kenne das Haus daher voller Schulklassen, Gruppen, Familien – voller Leben eben. Wirklich schön, dass es jetzt endlich wieder losgeht.

„Ja, endlich kommt Leben in die Bude! Die Telefonschafe gegenüber vom Empfang langweilen sich auch schon.“ ergänzt der Kollege.

NV: Habt ihr Bedenken wegen der Corona-Situation?

Anne: „Überhaupt nicht. Das Museum ist doch super vorbereitet. Da mache ich mir gar keine Sorgen.“

Konny: „Hier gelten ja genauso die Hygieneregeln, die wir alle ja schon seit Wochen befolgen. Zusätzlich haben wir zum Schutz für uns und unsere Gäste eine neue Wegeführung eingerichtet und begrenzen natürlich den Einlass. Die Abstandsregeln gelten selbstverständlich auch hier.“

NV: Welche unserer Ausstellungen und welches Angebot findet ihr besonders?

 Anne: „Ganz ehrlich? Alles. Angefangen von den toll erzählten Mediengeschichten in der Dauerausstellung – ich finde die Insel-Lösung einfach großartig – über die Verlängerung der spannenden Geheimnis-Ausstellung und natürlich #neuland, was ja jetzt doppelt und dreifach passt, wo wir das WWW in den letzten Monaten alle irgendwie neu entdeckt und genutzt haben. Aber natürlich sind auch die Vermittlungsangebote alle sehr besonders. Ich hoffe sehr, sehr, dass sie alle bald wieder stattfinden können. Ich glaube, diese Angebote werden aktuell mehr gebraucht denn je.”

„Und wenn man möchte, kann man vorher anrufen und sich für die Sonderausstellungen ein Ticket mit einer bestimmten Einlasszeit reservieren, dann muss man nicht warten und kann den Tag besser planen. Aber man kann natürlich auch einfach so vorbeikommen.“

Empfangskollege Konny

NV: Was meint ihr, worauf werden die Besucher*innen am meisten reagieren?

Anne: „Wahrscheinlich auf die #neuland-Ausstellung, weil sie A neu ist, B noch nicht wirklich eröffnet und B das aktuelle Thema Digitalisierung aufgreift.“

Konny: „Generell auf mal wieder etwas Abwechslung – wir haben ja hier auch ein sehr angenehmes Gebäude mit viel Platz und reizvoller Architektur.“

NV: Was würdet ihr einem sehr ängstlichen Besucher sagen, der ob der Situation etwas unsicher ist?

Anne: „Herzlich Willkommen, wir freuen uns, dass Sie da sind. Sie kennen das ja alles von Aldi und Lidl: Wir achten hier sehr auf Ihre Sicherheit, Abstand, Masken usw., wir haben außerdem Desinfektionsmittel für Sie, unsere Stationen laufen kontaktarm – zum Beispiel in Dauerschleife, unsere Bildschirme werden nur mit einem speziellen Stift benutzt. Und Sie finden auch überall nette Mitarbeiter*innen, die Sie ansprechen können. Wenn Sie sonst keine Fragen haben, wünsche ich Ihnen jetzt viel Spaß im Museum.“

Ungefähr so, allerdings glaube ich, die Leute sind alle sehr entspannt und freuen sich einfach, dass sie wieder rauskommen, etwas unternehmen und erleben können.

Konny lächelt: „Und mit etwas Glück gibt es auch bald wieder einen Kaffee im Museumscafé…“

Wiedereröffnung

Am Dienstag, 12. Mai 2020 öffnet das Museum für Kommunikation Frankfurt wieder für alle Besucher*innen. Dafür hat die Museumsstiftung mit ihren Schwesterhäusern in Berlin und Nürnberg ein Maßnahmenkonzept für die Wiederaufnahme des Museumsbetriebes erarbeitet.

Wir möchten euch ein entspanntes und sicheres Museumserlebnis in unserem großzügigen Museumsneubau von Günther Behnisch ermöglichen und freuen uns schon jetzt auf ein Wiedersehen. Die wichtigsten Fragen zu eurem Museumsbesuch beantworten wir euch in unseren FAQs

 

Interview: Nina Voborsky, 11. Mai 2020

Zur Zusammenarbeit von Schule und Museum

Zur Zusammenarbeit von Schule und Museum

Auch in der aktuellen Situation denkt, entwickelt und diskutiert die Abteilung Bildung und Vermittlung schon bestehende oder neue Kooperationsmöglichkeiten mit Schulen. Doch warum ist das eigentlich so wichtig?

Die große Gemeinsamkeit von Schulen und Museen ist der Bildungsauftrag. Der Nutzen von außerschulischen Bildungsangeboten bekommt seit Jahren einen immer höheren Stellenwert zugeschrieben. Und das zu recht! Seit 2012 besteht das Kooperationsprojekt mit der Integrierten Gesamtschule (IGS) Nordend in Frankfurt. Eine Gruppe von Schüler*innen besucht das Museum für Kommunikation über das gesamte Schuljahr hinweg und erarbeitet Videoprojekte gemeinsam mit der Kunst- und Medienpädagogin Jutta Mertens und ihrem Lehrer Necmettin Atasoy

“Das Besondere an dem Projekt ist, dass die Schülerinnen und Schüler tatsächlich selbstständig agieren müssen. D.h. sie müssen Ideen entwickeln, handeln, in dem sie ihr Material organisieren und aktiv auf Menschen zugehen können. Zu guter Letzt müssen sie ihr gefilmtes Material schneiden. Dies erfordert ein hohes Maß an Teamfähigkeit, Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit. Die Jugendlichen haben aber auch unglaublich viele Gestaltungsfreiheiten. Diese Art von ‘Freiheit’ – in der Schule gibt es Lehrpläne/Bildungsstandards – kennen sie aus ihrem schulischen Alltag eher seltener.”

Necmettin Atasoy, seit 10 Jahren Lehrer an der IGS-Nordend, seit 2012 betreut er das Projekt

Kreativ und offen für Neues

Seit acht Jahren ist jeden Donnerstagvormittag eine jährlich wechselnde Gruppe bei uns im Seminarraum zu Gast. Jutta Mertens begleitet das Kooperationsprojekt seit Beginn: „Zu verschiedenen Themen – rund um Kommunikation – erarbeiten die Jugendlichen ihre eigenen Filme – vom ersten Essay übers Drehbuch bis hin zu Schnitt. Es erfordert Kreativität, Offenheit, Kooperationsbereitschaft und technisches Know How.” 

Das museumspädagogische Team konnte in den letzten Jahren ganz unterschiedliche Gruppen, Prozesse und Ergebnisse begleiten: Von sehr freien und expressiven Momenten über dokumentarisch emotionale bis hin zu Filmen, die es als Exponat in unsere Sonderausstellungen geschafft haben, war alles dabei.

 

“Wir als Pädagogen haben natürlich unsere Erfahrungen der Vorjahre mitgebracht und weiterentwickelt. Verändert haben sich auch die technischen Voraussetzungen. Zu Beginn haben wir mit großen Kameras des Offenen Kanals gearbeitet. Inzwischen bevorzugen wir I-Pads.”

Jutta Mertens, Kunst- und Medienpädagogin, seit 2012 betreut sie das Projekt

Wie wird das neue Schuljahr geplant? Jutta Mertens beschreibt ihr methodisches Vorgehen: “Zunächst müssen wir natürlich wissen, was es im Museum in einem Schuljahr zu sehen gibt. Die Themen, die wir filmisch bearbeiten sind inspiriert von aktuellen Wechselausstellungen oder auch der aktualisierten Sammlung.

Die Gruppe wird in Teams eingeteilt, die zunächst gemeinsam Ideen entwickeln aus denen später Storyboard und Drehbuch entstehen. Kreative Freiheit wird bei uns groß geschrieben – vom Spielfilm über Interviews bis hin zum Dokumentar- oder Experimentalfilm ist alles möglich.”

Wildes Denken

Nicht nur das inhaltliche „über den Tellerrand schauen“, sondern auch die soft skills werden durch das Projekt gefördert. Das Museum ist ein Raum für wildes und kreatives Denken in dem Fehler erlaubt sind. „Das macht ein Museum so unglaublich wertvoll in Kombination mit dem schulischen Bildungsalltag“, resümiert Necmettin Atasoy. Und dem schließen wir uns an!

Wir freuen uns auf den Abschluss des Projektes Ende Juni und viele weitere, die folgen werden.

Aber jetzt erstmal viel Spaß bei den folgenden Filmen zum Thema Zeit. Wunderbar passend zur aktuellen Situation, in der für viele Menschen die Zeit, deren Beschleunigung und Entschleunigung eine ganz neue Bedeutung bekommen. 

Videoprojekte zum Thema Zeit

Kooperation IGS-Nordend und Museum für Kommunikation

Schüler*innen der Integrierten Gesamtschule Nordend Frankfurt besuchen einen Video-Workshop über das gesamte Schuljahr hinweg im Museum für Kommunikation Frankfurt. Das Projekt regt die Schüler*innen zur Auseinandersetzung mit dem Thema Kommunikation und Video an, ermöglichte ihnen das Kennenlernen des Museums als außerschulischen Lernort und förderte ihre Medien- und Sozialkompetenz.

Text: Fabian Lenczewski, 7. Mai 2020

Vor vierzig Jahren – Einführung einer rollstuhlgerechten Telefonzelle

Vor vierzig Jahren – Einführung einer rollstuhlgerechten Telefonzelle

Heute ist der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Auch der diesjährige internationale Museumstag (17. Mai) hatte Inklusion als zentrales Thema, durch Corona hat sich das Thema zu “Museen digital entdecken” verändert. Zum #DepotDienstag nimmt uns die Kustodin Lioba Nägele auf Spurensuche im Archiv und der Sammlung mit. Sie erzählt uns die Geschichte des ersten rollstuhlgerechten Telefonhäuschens, welche sie vorab schon recherchiert hatte.

 

Zugang für alle!?
Lioba Nägele

Kustodin für den Sammlungsbereich Nachrichtentechnik

Offen für alle – dafür standen sie auf Straßen und Plätzen. Telefonhäuschen sollten allen den Zugang zum Telefonnetz ermöglichen, konnten diesen Anspruch aber oft nur bedingt erfüllen. Unerreichbar waren die öffentlichen Münzfernsprecher in den Fernsprechhäuschen insbesondere für Rollstuhlfahrer*innen, denn die schmale Eingangstür und die Bodenschwelle waren für sie unüberwindbare Hindernisse.
Jubiläum
Ein neues Telefonhäuschen sollte Abhilfe schaffen und im Mai 1980, vor genau 40 Jahren, stellte die Deutsche Bundepost das erste rollstuhlgerechte Exemplar vor. Allein durch seine imposante Größe zog das neue gelbe Telefonhäuschen die Blicke auf sich.

Vorausgegangen war 1978 ein öffentlicher Wettbewerb um die Entwicklung eines für Rollstuhlfahrer*innen geeigneten Fernsprechhäuschens. Die zuständigen Stellen der Deutschen Bundespost und von Behindertenverbänden hatten Wünsche und Anforderungen formuliert, aber erst der Praxistest konnte zeigen, ob die neuen Telefonzellen die in sie gesetzten Erwartungen auch erfüllen konnten. Das Pilotprojekt mit einer Kleinserie von elf Stück begann in der zweiten Maiwoche 1980 und in elf deutschen Städten, verteilt über die verschiedenen Oberpostdirektionen, wurde je eines der 2x 2 m großen Telefonhäuschen aufgestellt.

Testphase
Um die Nutzer*innen selbst zu Wort kommen zu lassen, wurde eine Befragung mittels Postkarten eingeplant, die in allen elf Telefonhäuschen auslagen. Die Planung sah 5.000 Postkarten für jedes Häuschen vor – wie viele tatsächlich ausgefüllt und ausgewertet wurden, ist leider den überlieferten Unterlagen nicht zu entnehmen.
Nach Abschluss des zehnmonatigen Feldversuchs und einer Überarbeitung der bei den Prototypen festgestellten Schwachstellen kündigte das Fernmeldetechnische Zentralamt im Januar 1982 an, dass 600 Stück beauftragt und ab Frühjahr 1983 ausgeliefert werden sollen.

R wie Rollstuhl

Wie das Standard-Telefonhäuschen FeH 78 besteht das FeH R (das R in der Modellbezeichnung steht für Rollstuhlbenutzer*in) aus Kunststoffteilen, hat aber eine sechseckige Grundfläche von 180 x 180 cm und eine breite, von innen und außen elektrisch zu öffnende Tür. Auch die Anbringung des Münztelefons und die Halterungen für die Telefonbücher sind auf die besonderen Bedürfnisse von Rollstuhlfahrer*innen ausgerichtet.

Ob es die hohen Kosten, die mancherorts beklagte Zweckentfremdung mit entsprechenden Benutzungsspuren oder andere Unzulänglichkeiten waren – das FeH R konnte nie ganz einlösen, was es bei der Präsentation vor vierzig Jahren versprochen hatte.

 

Text: Lioba Nägele, 5. Mai 2020

 

 

Raumschiff Wohnzimmer

Raumschiff Wohnzimmer

Eigentlich wollten wir am 7. Mai die Ausstellung „Raumschiff Wohnzimmer. Die Mondlandung als Medienereignis“ eröffnen, nun öffnen wir am 12. Mai nach der Corona-Pause erst einmal die Museumstüren. Der Start von “Raumschiff Wohnzimmer”  verschiebt sich auf den 26. Juni. Somit kann man die Geheimnisse der Ausstellung „Das Geheimnis. Ein gesellschaftliches Phänomen“, die acht Woche nicht zu sehen war, nachdem sich am 14. März die Museumstüren schlossen, noch bis zum 7. Juni erkunden.

 

Die Eta-Aquariiden

Im Wonnemonat Mai, und heute Abend ganz besonders, lohnt es sich, den Blick gen Mond in den nachtschwarzen Himmel zu richten: Der Sternschnuppenschauer der Eta-Aquariiden ist jedes Jahr im Frühjahr aktiv, in 2020 zwischen dem 19. April und dem 28. Mai. Seinen Höhepunkt erreicht der Sternschnuppenschwarm in der Nacht vom 5. auf den 6. Mai. Bis zu 50 Sternschnuppen pro Stunde können zu sehen sein, wenn das Wetter mitspielt! Wenn ihr herausfinden wollt, wie die Sicht heute Nacht über Eurer Stadt ist, könnt ihr hier nachschauen: https://www.timeanddate.de/astronomie/sternschnuppe/eta-aquariiden

In der Zeit der Eta-Aquariiden kreuzt die Erde die Umlaufbahn des Halleyschen Kometen. Seine Bruchstücke verbrennen dabei in der Erdatmosphäre und die Meteorströme irrlichtern über den tiefschwarzen Nachthimmel. Die Quelle für die Sternschnuppen befindet sich in dem Sternbild Wassermann, daher heißen sie „Eta Aquarii“.

Karte anlässlich der sowjetischen Mondsonde Luna 2, die am 13.9.2019 als erster künstlicher Flugkörper auf dem Mond einschlug mit dem Modell der Mondsonde. Leihgaben: Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museum (Foto: © MSPT, Mile Cindric)

 
Peterchens Mondfahrt

In meiner Fantasie sitzt droben am Himmel ein triefnasser, türkisschillernder Geselle mit glubschigen Froschaugen und macht Frühjahrsputz. Vielleicht schnippt er die Schnuppen wie Glühwürmchen aus seinem Netz. Vor meinem inneren Auge ziehen Bilder wie aus dem Kinderbuch „Peterchens Mondfahrt“ auf, das ich immer mit meiner Großmutter anschauen wollte, wenn ich bei ihr übernachten durfte. Das Märchenspiel von Anneliese und Peterchen wurde 1912 uraufgeführt.

Die Kinder unternehmen eine abenteuerliche Reise und fliegen mit dem Maikäfer Sumsemann auf den Mond, um sein Beinchen zu retten. Als Buch ist das Märchen von Gerdt von Bassewitz mit Illustrationen von Hans Baluschek erschienen. Besonders faszinierend war, wie die Kinder in Begleitung des Sandmanns auf dem Großen Bären über den nächtlichen Himmel zum Mond reiten und mit der Mondkanone auf den Mondberg geschossen werden. Dort lebt der böse Mondmann, der überwältigt werden muss, um das verlorene Maikäferbein zu retten.

Illustration von Hans Bartuschek in „Peterchens Mondfahrt“ von 1915 (PD-US, Wikimedia).

 
Raktenrummel

Auch wenn das Märchen völlig ohne Sinn für technische Entwicklungen auskommt und seine zauberhafte Wirkung ohne naturwissenschaftliche Erkenntnisse entfaltet, knüpft es an einen lange von Menschen gehegten Traum an und nimmt einen Trend vorweg. In den 1920er Jahren gab es einen wahren Raktenrummel. Angeregt durch ein gut verständliches Buch des Physikers Hermann Oberth und Fritz Langs Film „Frau im Mond“ ist die Raumfahrt sehr populär.

Es sollte noch fast 40 Jahre dauern, bis der Menschheitstraum Wirklichkeit wurde. In der Nacht vom 20. auf den 21. Juli 1969 landeten Neil Armstrong und Buzz Aldrin mit der Mondrakete Apollo 11 auf dem Mond. Bis zu 600 Millionen Menschen auf der Erde sahen live im Fernsehen dabei zu, weitere hunderte Millionen verfolgten die Mission im Radio. Damit ist die erste bemannte Mondlandung bis heute eines der größten Medienereignisse der Geschichte. Wie es dazu kommen konnte, zeigt unsere Ausstellung. Historische Erfindungen wie das Teleskop, die Forschungen unzähliger Wissenschaftler, darunter Johannes Keppler, aber auch Märchen und Fantasien wie von Jules Verne und Gerdt von Bassewitz sind wichtige Voraussetzungen dafür. Die Mondlandung als Ereignis von menschheitsgeschichtlicher Tragweite ist jedoch nicht ohne den Aufstieg des Fernsehens in den 1950er und 1960er Jahren denkbar. Michael Collins, der an Bord geblieben war, hat gewitzelt: „Ich bin der einzige Amerikaner, der nichts von der Mondlandung gesehen hat, weil es keinen Fernseher in der Columbia gibt.“

(Foto: © MSPT, Mile Cindric)

 

Der Menschheitstraum von der Reise zum Mond konnte darüber zum Austragungsort für den politischen Wettbewerb, das Space Race, zwischen Sowjet Union und USA werden. Darüber und wie global das Medienereignis Mondlandung wirklich war, ist in der Ausstellung mehr zu erfahren. U.a. ist das Exponat “Space Travel Guide von 1958” zu sehen. Angezeigt werden die Entfernung und die Reisezeit zu verschiedenen Planeten – eine Leihgabe des Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museum.

 

AstroRara

Um die Wartezeit bis zur Eröffnung zu verkürzen empfehlen wir Euch neben dem Blick in nächtlichen Himmel „AstroRara“ und das Webspecial des Hessischen Rundfunks. Die App veranschaulicht, wie alte und seltene in Drucken dargestellte Abbildungen und Instrumente von Himmelsereignissen genutzt wurden. Werke der Astronomen Peter Apian (1495-1552), Christoph Schreiner (1575-1650) und Johannes Hevelius (1611-1687) können interaktiv entdeckt werden. Zu unserem Thema passen besonders gut die Ansichten der Mondphasen. Im Webspecial von Klaudija Schnödewind wird die Apollo Mission nacherzählt, mit tollen Tonbeispielen und Bildern von der Mondlandung.

„Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit.“ Neil Armstrong

  Text: Corinna Engel, 4. Mai 2020

Online-Angebote für Kinder

Online-Angebote für Kinder

Ganz neu auf den Webseiten der Museen für Kommunikation findet sich rechts oben ein neuer Punkt: KINDER. Was steckt wohl dahinter? Klickt man dorthin findet sich eine Seite mit Mitmach-Angeboten. Da unsere Museumspäadagog*innen derzeit nicht in den Museen mit unseren kleinen und großen Besucher*innen vor Ort arbeiten können, gibt es nun aus der museumspädagogischen Aktionskiste die Klassiker der Knobel- und Basteltipps online als Anleitung zum Selbermachen zuhause.

Schrott-Robos

Eine Besondeheit hat es auf der Frankfurter Kinder-Seite: Dort gibt es zusätzlich den Hinweis zur Schrott-Robo-Aktion, von der wir hier im Blog schon berichtet haben. Es können weiterhin noch Fotos mit selbsgebauten Robos aus Elektroschrott eingereicht werden. Aus dieser Sammlung der Schrott-Robos entsteht eine Online-Ausstellung, in der sich schon erste Robo-Schrott-Werke bewundern lassen.

Weitere Bastelaktionen

Die Mitmach-Aktionen der Kinder-Seite begleiten inhaltlich einige unserer Online-Ausstellungen bei Google Arts & Culture. So kann man sich via Link dort mit Muße den Geschichten aus der Geschichte der Kommunikation widmen. Auf der Kinder-Museumsseite hingegen finden sich passende Bastel-und Knobeltipps, die sich mit der Familie oder Freund*innen und mit Dingen, die Zuhause sind, umsetzen lassen. Wir stellen hier alle Angebote und die dazugehörigen Online-Ausstellungen vor:

 

Postkutschen

Für die Online-Ausstellung Man fliegt fast vorwärts… …oder das Reisen mit der Schnellpost finden sich gleich drei Bastel-Ideen: der Bau eines Fahrschein-Stempels oder einer Posthorn-Vuvuzela bis hin zu DIY-Masken der Posträuber*innen.

 

Fernsehen

Zur Online-Ausstellung Fernsehen. Wie die Bilder laufen lernten zum bewegten Bild wird, verweist ein Tutorial zum Bau einer Wunderscheibe – auch Thaumatrop genannt. Hier wird mit einem optischen Trick Bewegung simuliert.

 

Telefonie

In der Online-Ausstellung geht es um die Idee bis zur Realisierung der ersten Telefone: Das Pferd frisst keinen Gurkensalat. Wie Philipp Reis das Telefon erfand“. Abgeleitet davon sind gleich zwei Basteltipps mit Anleitung: zum Bau eines Dosentelefons sowie zum Nähen einer sicheren Smartphone-Hülle.

 

Enigma

Ob Geheim-Tinte, der Cäsar-Code oder antike Verschlüsselungstechniken: Spionage und Verschlüsselungstechniken widmen sich die Mitmach-Ideen zu Streng geheim! Verschlüsselung im Zweiten Weltkrieg – eine Online-Ausstellung für alle, die sich für die Geschichte der Enigma interessieren.

 

Telegrafie

Die Telegrafie vernetzte die Welt – nachzulesen bei Alles nur geklaut! Das Morsealphabet und die Einführung der Telegraphie in Deutschland. Bei den Mitmach-Ideen dreht sich alles Experimente mit Morse-Code.

 

Bildtelegrafie

Ein kariertes Papier und einen Stift braucht es für das Übertragen von Bildern durch Codierung. Dies verdeutlicht die Mitmach-Idee passend zur Online-Ausstellung Bilder reisen um die Welt. Die Erfindung der Bildtelegrafie.

 

Aktion der Museumsstiftung

Auf allen drei Webseiten der Museen der Museumsstiftung Post und Telekommunikation finden sich seit letzter Woche die neuen Kinderseiten – voll mit den oben aufgeführten Mitmach-Angeboten (Frankfurt | Berlin | Nürnberg). Auch wenn im Mai die ersten Museen wieder öffnen werden, so wird uns die Kombination aus physischen Erleben und digitaler Praxis noch über das Jahr weiter begleiten.

Und auch über die Corona-Zeit hinaus freuen wir uns, dass diese Seiten für Kinder unser Onlineangebot von nun an ergänzen werden.

 

Autorin: Tine Nowak, 2. Mai 2020