Seit inzwischen mehr als 15 Jahren feiert das Museum für Kommunikation Frankfurt den ICOM-Tag in der Sammlung in Heusenstamm. Wie ist das für die Abteilung Sammlung, dass der ICOM-Tag, der sich im Lauf der Jahre zum Tag der offenen Tür entwickelt hat, erstmals ausfällt? Die offenen Türen des Sammlungsdepots bieten insbesondere Sammler*innen und Fachleuten die seltene Möglichkeit, einen Einblick in den Variantenreichtum und verschaffen ihnen den Zugang zu den sonst nicht sichtbaren Objekten ihrer Forschungen und ihres Interesses.

Frank Gnegel, Leiter der Sammlung, schätzt es besonders, dass „viele Menschen, die uns etwas schenken, das ihren Großeltern gehört hat, die Objekte hier in Heusenstamm sehen können.“ Denn nicht alle Gaben von großzügigen Schenker*innen haben die Möglichkeit eine Bühne im Museum zu bekommen. Auch wenn es die Besucher*innen oft gar nicht so wahrnehmen, in der Sammlung sind die Objekte nicht didaktisch aufbereitet. Sie sind sorgfältig verwahrt, aber nicht inszeniert und ihre Präsentation folgt keinem kuratorischen Konzept. Es handelt sich um eine Schausammlung. Ein Gespräch zwischen Frank Gnegel und Corinna Engel, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit des Museums für Kommunikation Frankfurt, über Sammeln in Zeiten von Corona. 

Corinna Engel: Wie arbeitet die Sammlung in Corona-Zeiten? Gibt es neue Schwerpunkte oder Konzepte?

Frank Gnegel: Mit seinen 15.000 Quadratmetern ist das Sammlungsdepot in Heusenstamm der größte Magazinstandort der Museumsstiftung. Die wenigen Mitarbeiter*innen verlieren sich zwischen den Exponaten, sie können die Abstandsregeln gut einhalten. Da wir viel dokumentierend und forschend tätig sind, können wir gut allein arbeiten: Fotograf*in, Dokumentar*in, Registrar*in und Wissenschaftler*in reichen die Objekt zwischen sich weiter, persönliche Kontakte können sie meiden.

Rückblick auf den ICOM-Tag 2019

CE: Hat sich das Sammeln in den letzten Wochen verändert?

FG: Wir merken, dass die Menschen aufräumen und uns werden sehr viele Objekte angeboten. Was uns auch auffällt, ist, dass die Leute nun viel Zeit haben. Diejenigen, die sich hobbymäßig oder in der nachberuflichen Phase mit Kommunikations-Themen beschäftigen, stellen vermehrt Anfragen: Radiosammler*innen oder Tech-Enthusiast*innen wollen ihre Interessenschwerpunkte vertiefen und wenden sich an uns.

CE: Insbesondere Stadtmuseen rufen die Bevölkerung auf, Objekte mit Geschichten einzusenden, die die Pandemie dokumentieren, ist so etwas auch von der Sammlung. geplant? Im Sinne einer Dokumentation der Mediennutzung durch Corona?

FG: Noch gibt es zwar keinen Ort auf unserer Webseite, wo die interessierte Öffentlichkeit Geschichten einreichen kann, aber wir arbeiten daran. Im Unterschied zu Stadtmuseen, die die persönliche Situation der Bewohner*innen einer Stadt in Verbindung mit einem besonderen Objekt sammeln wollen, geht es uns um den Bezug zur Kommunikation und damit auch zur Kommunikationstechnik bzw. dem Kommunikationsmittel, also Objekten, die physisch vorhanden sind. Zur Kategorie der Objekte, mit denen Personen kommunizieren gehören beispielsweise „Corona Shake-Hands“. Das ist ein physisch dreidimensionales Objekt, um Händeschütteln zu imitieren und so die Freundlichkeit trotz der Einhaltung physischer Distanz ermöglicht.

Wir sammeln auch aktiv digitale Objekte, die in der Corona-Zeit wichtig geworden sind. Das sind zum Beispiel Tracking-Devices, smarte Objekte, die Daten sammeln, wie Fieberthermometer, die anonymisiert Daten aus aller Welt an eine zentrale Stelle senden und nach Auswertung der Daten werden diese dann zur Vorausschau und Planung eingesetzt. Oder Objekte, die demjenigen, der sie verwendet, dem User, individuelle Gesundheitsvoraussagen erlauben. Es gibt eine Vielzahl smarter Geräte, die wie Fitnessarmbänder funktionieren. Wir haben einen Ring erworben, den man am Finger trägt und der permanent die Temperatur misst und ein Profil entwickelt. Auch haben wir ein Unternehmen recherchiert, das einen Fertilitäts-Tracker umgewidmet hat und als Voraussageinstrument einsetzt. 

Eine weitere Sorte von Objekten, die wir sozusagen als Reflex auf Corona sammeln, sind solche, die die Ausbreitung verhindern: Dazu gehören ein smartes Armband, das durch Brummen daran erinnert, dass sich die oder der Träger*in ins Gesicht fasst oder auch ein Abstandswarner in der Art eines Namensschildes, das an die Kleidung geheftet ein Signal ertönen lässt, wenn sich ein Hindernis dichter als 1,50 Meter nähert. Eine weitere höchst spannende Kategorie sind Objekte aus Hongkong und Bahrain, mit denen die Behörden die Bevölkerung ausstatten, um die Pandemie einzudämmen und zu kontrollieren. Wir würden sie als Überwachungstools bezeichnen.

CE: Das Thema des ICOM-Tages ist Inklusion, was haben die Besucher*innen verpasst und wird es einen Nachholtermin geben?

FG: Wir haben schon immer Objekte gesammelt, in denen es um Inklusion ging. Für Menschen mit Einschränkungen wurden in der Kommunikationsgeschichte seit jeher Angebote entwickelt, die ihnen Kommunikation ermöglichen oder sie vereinfachen. In unserer Sammlung haben wir Gehörlosen-Telefone, Schreibmaschinen für Braille-Schrift oder auch die barrierefreie Telefonzelle, die meine Kollegin Lioba Nägele hier im Blog vorgestellt hat. Ob wir den ICOM-Tag als Tag der offenen Tür nachholen, steht noch nicht fest. Doch wir haben ein schönes Digitalangebot für alle Heusenstamm-Aficionados entwickelt: Ab Sonntag wird es möglich sein, mittels eines Audiowalks digital durch die Sammlung zu wandern. Wir freuen uns auf diese digitale Variante des ICOM-Tages.

Interview: Corinna Engel, 16. Mai 2020