Architektur: Dialog zwischen alt und neu

Architektur: Dialog zwischen alt und neu

Abb. 1 Deutsches Postmuseum. Foto: MSPT

Das Museumsufer am Beispiel des Museums für Kommunikation von Günther Behnisch und des ehemaligen Bundespostmuseums in der Villa de Neufville (hier in einer der 1990er Jahre). Die heutige bauliche Ansicht des Museumsufers besticht durch eine Mischung aus historisierenden Villenkomplexen des 19. Jahrhunderts, funktioneller Nachkriegsarchitektur und (post)modernen Erweiterungen. Gerade dieser Ensemble Charakter macht das Museumsufer aus städtebaulicher und architektonischer Sicht unglaublich spannend und lädt zu einer architektonischen Zeitreise ein. Topografisch im Zentrum  zwischen dem Museum Giersch und dem Museum für Angewandte Kunst liegt das Museum für Kommunikation mit einer gelungen Ergänzung von Alt und Neu.

 

Transparenter Museumsbau

Neu ist der Museumsbau von Günther Behnisch (Eröffnung 1990) mittlerweile nicht mehr, aber die Architektursprache zeugt immer noch von einer beeindruckenden Aktualität. So ist er als ein Ort der “Grand Tour der Moderne gelistet”, ein Projekt, welches “bedeutende und zugängliche Gebäude, die zwischen 1900 und 2000 erbaut wurden, zu einem Streifzug durch 100 Jahre Architekturgeschichte” verbindet.

Doch zurück zum Anfang.

 

Die Villa: Vom Wohnhaus zum Museum

Der heutige Sitz der Verwaltung des Museums für Kommunikation befindet sich in der Villa de Neufville. Ab 1891 nach Entwürfen von Franz von Hoven in historisierenden Formen für den Bankier Otto de Neufville (die Villa Andreae, 1891, in Königstein ist das für die Region bekannteste Gebäude der Familie) erbaut, fungierte sie lange Zeit als Wohnsitz der Familie. In den 1950er Jahren waren die Mieter der Suhrkamp Verlag sowie das niederländische Generalkonsulat. Ab 1955 bezog die Post das Gebäude und 1958 wurde das damalige Bundespostmuseum eröffnet um die Sammlungen des ersten Postmuseums der Welt (Berlin, Reichspostamt, unter Heinrich von Stephan dem damaligen Generalpostdirektor 1872 gegründet; heutiger Sitz unseres Schwesterhauses) im Rhein-Main-Gebiet zu präsentieren. Die Umbenennung in Deutsches Postmuseum erfolgte 1986 im Rahmen des Neubaus sowie 1995 im Zuge der Privatisierung der Deutschen Post und der DeutschenTelekom in Museum für Kommunikation.

 

Die Villa: Eine kleine Stilgeschichte

Die dreigeschossige Villa, neben der Liebig-Villa zu den typischen Bauten der wilhelminischen Gründerzeit gehörend, präsentierte sich bis zu ihrer teilweisen Zerstörung mit einer reich gegliederten Fassade aus Sandsteinquadern und einer opulent gestalteten Dachlandschaft mit Kaminen und Ziergiebeln (Abb.1 und 2). Nach Kriegsschäden (Abb. 3) wurde die Villa in vereinfachter Form wieder aufgebaut. Der hervorspringende Risalit blieb bestehen aber ohne die Neo-Renaissance Elemente wie Balkone und sonstige Zierelemente (Abb. 4). Im Rahmen des Neubaus des Museums in den 1980er Jahren wurde die Villa im Kontext des modernen Museumsbaus (beides durch das Büro Behnisch & Partner) renoviert und auf die Bedürfnisse einer Museumsverwaltung angepasst.

 

Abb. 7 Museum für Kommunikation Frankfurt, Gartenasicht, Foto: MSPT/ Thomas Gessner
 
Neubau und Villa: Eine gelungene Verbindung

Der preisgekrönte Entwurf der Architekten Behnisch & Partner wurde in den 1980er Jahren umgesetzt und 1990 feierlich eröffnet. Der moderne Stahlskelettbau mit Materialien wie Glas, Beton und den damals größten je verbauten Aluminiumplatten betont den Kontrast (Abb. 5)  zur sandsteinverkleideten Villa und bietet gleichzeitig eine Fülle an ästhetischen Gemeinsamkeiten im Detail, die zu intensivem Dialog zwischen den beiden Gebäuden führen.

Genau dieser Dialog ist bezeichnend für die Bebauung des Museumsufers. Historisierende Villen neben spannender Nachkriegsarchitektur erweitert um in der Tradition der Moderne stehende Bauten prägen den Charakter des Museumsufers und lassen eine architekturgeschichtliche Reise der letzten knapp 150 Jahre zu.

Ein Beitrag zum Tag der Architektur 2020. Bei interesse an geführten Rundgängen zur Museumsarchitektur bitte Nachfragen unter 069/6060-321 oder buchungen-mkf (at) mspt.de. Dabei richten wir uns an die dann behördlich geltenden Hygiene- und Sicherheitsbestimmungen.

 

Text: Fabian Lenczewski, 27. Mai 2020

Neuzugänge für die Sammlung

Neuzugänge für die Sammlung

Die Kustodin Dr. Tina Kubot beschreibt für uns beispielhaft den Weg der letzten Neuzugänge in das Depot in Heusenstamm und gibt Einblicke in die Überlegungen zum Konzept hinter der Sammlung. Nicht zuletzt sorgen auch etwas Glück und der Zufall für angenehme Überraschungen.

 

Wie gelangen eigentlich die Objekte in die Sammlung?
Dr. Tina Kubot

Kustodin für den Sammlungsbereich Mediengeschichte

Trotz Corona steht die Welt nicht vollkommen still, auch wenn es manchmal den Anschein erweckte. Die Zeit läuft weiter, und so rückte auch der Termin zur besenreinen Übergabe des letzten großen Evonik-Standortes in Frankfurt am Main näher. Der Standort, der vorher ein großes Rechenzentrum beherbergte, war schon länger aufgegeben, die IT sollte auf das große Firmengelände nach Hanau umziehen.

Was hat das mit der Sammlung zu tun?

 

Dieses Rechenzentrum pflegte eine Sammlung, für die am neuen Standort der Platz fehlte. Historische Objekte werden in heutigen Firmenstrukturen kaum noch aufbewahrt oder gesammelt, da der vorhandene Platz in der Regel anderweitig benötigt wird und die Lagerung auch Kosten verursacht. So ist es vor allem dem Engagement Einzelner zu verdanken, wenn diese Schätze nicht direkt entsorgt, sondern zuvor noch dem Museum angeboten werden. Auch in diesem Fall haben wir die Neuzugänge einer solchen Initiative zu verdanken und wurden angefragt, ob wir Interesse an Lochkartenmaschinen hätten. Entsprechende Geräte, insbesondere aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, waren bisher in der Sammlung unterrepräsentiert, weshalb wir uns darüber freuten, die Objekte übernehmen zu können.

Wir sind zwar keine dezidierte Computersammlung, wie zum Beispiel die Kollegen vom Heinz-Nixdorf-Forum, aber die Informationstechnik ist gerade in der heutigen Zeit aus unserem Kommunikationsverhalten nicht mehr wegzudenken. Außerdem waren unsere stiftungstragenden Unternehmen Post und Telekom in den Anfängen der Digitalisierung die Netzbetreiber und -entwickler. Um den Weg dorthin sinnvoll nachzeichnen zu können, ergänzen wir die Sammlung um einzelne aussagekräftige Objekte zu Computergeschichte, auch wenn sie nicht zum Kernsammelbereich gehören.

Schöne Überraschung

 

Nun war der Endzeitpunkt der Räumung gekommen: Montag, der 18. Mai. Der Anruf kam am Donnerstag spätnachmittags. Da gab es keinen anderen Weg mehr, die Objekte mussten dort weg und in unser Depot, sonst wären sie verloren. Also einen LKW besorgt und unter allen Sicherheitsvorkehrungen nur mit der Mindestbesatzung auf den Weg gemacht.

Und wie es so oft ist, wenn man dann vor Ort steht: „Wir hätten da auch noch… möchten Sie nicht mal schauen?“ Klar, schauen wollen wir meistens. An dieser Stelle war noch ein kompletter Raum mit einer Großrechenanlage zur Datenverarbeitung anzuschauen.

Der Erhaltungszustand war ausgezeichnet, die Anlage war vollständig, die Provenienz, also Herkunft des Objektes, bekannt.

 

Ob das Objekt, das die Ausmaße einer größeren Einbauküche hat, die Sammlung ergänzt, konnte so schnell nicht festgestellt werden, so dass wir es vorsichtshalber auch ins Depot überführten. Es handelte sich nun insgesamt um zwei LKW-Ladungen voll Rechentechnik, deren summierte Rechenleistung noch deutlich unter der eines heutigen Smartphones liegt.

Was kommt in die Sammlung?

Im Depot angekommen, konnten wir uns in Ruhe der Identifizierung und Recherche widmen. Wir bekamen also:

Einen Lochkartensortierer der Rheinmetall-Lochkarten-Maschinen-GmbH, im Einsatz bei der Degussa. Die Plakette mit dem Firmennamen liefert uns gleich die Datierung, denn diese GmbH wurde 1928 gegründet und im gleichen Jahr von IBM aufgekauft.

Eine Maschine zur automatisierten Datenverarbeitung Powers LK1 von 1939/1940, die die auf Lochkarten erfassten Buchungen addieren, saldieren und die Salden auf eine Papierrolle gedruckt ausgeben kann. Auch diese Maschine war bei der Degussa im Einsatz, die 2007 in die Evonik eingegliedert wurde

Ein Magnetkonten-Buchungssystem Philips P354, das spezielle, schnellheftergroße Karten mit einem Magnetstreifen verarbeitet hat, um Kontierungsvorgänge durchzuführen. Auf diesen Karten waren neben dem Magnetstreifen die Daten in Klartext gedruckt, so dass der Bediener direkt sehen konnte, was auf dem Datenträger ist.

Dazu kommen Zusatzgeräte zur Verarbeitung der Daten, Sortierung von Karten und Speicherung der erzeugten Daten auf Loch- oder Magnetband oder sogar schon auf einer Festplatte. Diese hatte allerdings noch 30 cm Durchmesser und wog über 5 Kilogramm.

Auf der Kernspeichermatrix, dem Äquivalent zum heutigen RAM-Speicher, mit 8 bit/mm Speicherdichte konnte die Zentraleinheit 1000 Wörter zur Verarbeitung zwischenspeichern. Ein Aufkleber an der Zentraleinheit zeigt uns, dass das Gerät am 13.04.1973 für die Chemische Fabrik Grünau produziert wurde. Die Chemische Fabrik Grünau wurde in Berlin gegründet, die Gesellschaft 1949 nach Frankfurt am Main und 1961 nach Illertissen in Bayern verlegt. Die Degussa hielt seit 1921 eine Aktienmehrheit an der chemischen Fabrik.

Willkommen in der Sammlung!

Im nächsten Arbeitsschritt werden die Objekte inventarisiert und gereinigt, bevor sie an ihren endgültigen Standort im Magazin umziehen.

 

Text: Tina Kubot
3. Juni 2020