Die Liebe zur Literatur in Zeiten von Corona – Teil III

Die Liebe zur Literatur in Zeiten von Corona – Teil III

Was eignet sich besser, um an den morgigen Tag der Arbeit zu erinnern als mit dem Thema „Arbeit und Digitalisierung“ einen weiteren Aspekt unserer neuen Ausstellung #neuland und drei begleitende Buchtitel unserer Museumsbibliothek vorzustellen? Im besten Fall regt uns Literatur in Zeiten sozialer Einsamkeit, Prekariat und Arbeitsplatzverlust durch Corona zum Nachdenken an: über die Bedeutung von Arbeit in unserer Gesellschaft und für uns selbst. Aber auch über unseren Grad an Digitalisierung mit all seinen Grenzen und Möglichkeiten.

Die Produktivkraft der digitalisierten Massen

Wie kann eine an Marx orientierte Analyse den aktuellen technologischen Wandel erklären? Das Buch: „Marx und die Roboter“, herausgegeben von Sabine Nuss und Florian Butollo, stellt entlang Marx‘ Vorhersage zur Vollautomatisierung aus der Mitte des 19. Jahrhunderts Entwicklungen in der digitalisierten Arbeitswelt dar. Der Begriff der Produktivkraft bildet den Ausgangspunkt und sozialhistorischen Kontext, in den hier die Digitalisierung gestellt wird und analysiert aktuelle Veränderungen unserer Arbeitsweise. Dabei verbleibt die Kritik nicht in der soziotechnischen Dystopie des vom Roboter ersetzten Menschen, sondern zeigt auf, dass neue Technologien das menschliche Arbeitsvermögen noch stärker beanspruchen und deshalb eine aufwendige Neugestaltung der Arbeitsorganisation erfordern. Künstliche Intelligenz und die teils wundersamen Erwartungen, die Marktprognosen an sie stellen, werden hier aber nicht als Lösung dieser Neugestaltung gesehen, sondern als in ihrem gesellschaftlichen Nutzen eher beschränkt, sofern Wirtschaftsplanung im digitalen Zeitalter nicht nachhaltig und demokratisch gedacht wird. Die Digitalisierung als Gesicht des Gegenwartskapitalismus, reflektiert in differenzierten Aufsätzen von 16 Autor*innen als ein wichtiger Beitrag zur aktuellen Debatte.

Nuss / Butollo (Hg): Marx und die Roboter. Vernetzte Produktion, Künstliche Intelligenz und lebendige Arbeit.  Berlin : Dietz Verlag. ISBN: 978-3-320-02362-

Die Gestaltbarkeit von Arbeit

Auch wenn mit seinem Erscheinungsjahr 2010 das erwähnte Morgen eigentlich unser Heute ist, ist die Frage: „Wie wollen wir leben und arbeiten?“ des Buches „Die Arbeitswelt von morgen“ nicht weniger aktuell als vor zehn Jahren. Der Sammelband, herausgegeben von Karin Kaudelka und Gerhard Kilger, beinhaltet Positionen aus sechs Talkrunden des interdisziplinären Symposiums „Constructing the future of work – wie wollen wir leben und arbeiten?“ der DASA. Als existentieller Teil unseres Lebens kreist das Thema Arbeit immer um die Frage von Freiheit und Notwendigkeit:

Ob die Entgrenzung zwischen Arbeit und Leben eine gelungene work life balance oder eine ungesunde Vermischung zweier wichtiger Bereiche menschlicher Lebenswelt ist, kann sehr verschieden beantwortet werden, aber nur von jenen, die überhaupt die Wahl haben, mobile und flexible Arbeit nutzen zu dürfen und über die technischen Voraussetzungen dafür verfügen. Ob man ungerechter Bezahlung mehr entgegen setzen kann als Frustration und Jobwechsel, hängt wesentlich mit der persönlichen sozialen Situation zusammen. Und „life long learning“ ist zuweilen einseitige Forderung statt Förderung. 

Die Beiträge des Buches behandeln Themen der Arbeitsmarktpolitik und Personalentwicklung, Grundeinkommen und soziale Ungleichheit, beleuchten sozialpsychologische Aspekte und entwerfen Visionen vom zukünftigen Arbeiten. Ihnen gemeinsam ist die Suche nach Antworten auf die Frage nach der Gestaltbarkeit von Arbeit.

Kaudelka / Kilger (Hg.): Die Arbeitswelt von morgen. Wie wollen wir leben und arbeiten?.  Bielefeld : transcript Verlag, ISBN: 978-3-8376-1423-7

Nachhaltig und ohne Angst

Gestaltungsfelder des digitalen Wandels beschreibt auch das Buch „Die Zukunft ist menschlich“ von Andera Gadeib. Wie der Titel vermuten lässt, ist das Thema Arbeit hier als eines von mehreren Themen eingebettet in eine ganzheitliche Betrachtung: Die Autorin liefert ein starkes Plädoyer, den Menschen als Subjekt in den Mittelpunkt zu stellen – auch in Zeiten des technologischen Fortschritts und umfassenden digitalen Wandels. Das Buch möchte damit eine positive Gegenthese setzen zu angstvollen Mediendebatten angesichts Künstlicher Intelligenz und der Veränderungen in der digitalen Arbeitswelt. Es richtet sich mit Beispielen aus der digitalen und analogen Welt sowohl an Menschen, die ihre allerersten Schritte im Bereich Social Media machen als auch an Arbeitgeber, die ihre Einstellung zu einem lösungsorientierten Herangehen an die Digitalisierung verbessern möchten. Nachhaltig fit für die Zukunft durch das „Manifest für einen intelligenten Umgang mit dem digitalen Wandel in unserer Gesellschaft“.

Gadeib, Andera: Die Zukunft ist menschlich. Manifest für einen intelligenten Umgang mit dem digitalen Wandel in unserer Gesellschaft. Offenbach : GABAL Verlag, ISBN: 978-3-86936-930-3

 

Mehr zu unseren Beständen im Online-Katalog

Für mehr Literatur zu Themen der aktuellen Ausstellung könnt Ihr unter dem Stichwort „Leben & Lernen“ im Online-Katalog stöbern.

Wir hoffen, Euch bald wieder im Museum und in der Bibliothek zu sehen. Bleibt gesund!

 

Autorin: Sandy Lang, 30. April 2020

Kommunikation im 21. Jahrhundert

Kommunikation im 21. Jahrhundert

Werden wir Privatheit in Zukunft kaufen müssen? Wie wird ein Kind in 30 Jahren kommunizieren? Wie wird der Körper als Interface eingesetzt? In der Dauerausstellung des Museums für Kommunikation stellen 21 Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik ihre Perspektiven auf die Kommunikation im 21. Jahrhundert und den Einfluss der Digitalisierung zur Diskussion.

 

21 Perspektiven auf die Digitalisierung

Viele Expert*innen glauben, wir erleben gerade eine Revolution, vergleichbar mit der Erfindung des Buchdrucks oder der Industrialisierung. Sprache, Schrift, Bilder und Töne lassen sich digital miteinander verbinden. Wir vernetzen uns mit anderen Menschen auf der Welt in Echtzeit. Intelligente Maschinen, Roboter und künstliche Intelligenz sind dabei, unsere Lebens- und Arbeitswelten zu durchdringen. Das wird unser Verhalten prägen und wie wir die Welt zukünftig erleben: Weiß ein Kind in 30 Jahren noch, was ein Smartphone ist? Wird es Chips im Körper tragen, um mit Freunden und Alltagsgegenständen zu kommunizieren?

Wird es immer noch Herzklopfen haben, wenn es sich verliebt? Wir wollen Chancen, Risiken und Nebenwirkungen der Digitalisierung verstehen und zum Thema im Museum machen. Wir haben darum 21 kluge Köpfe gefragt. Sie stellen ihre Sicht auf die Digitalisierung zur Diskussion und bieten Ideen, wie wir sie alle mitgestalten können. Ihre Perspektiven verdeutlichen auch, mit welcher Geschwindigkeit die digitale Transformation voranschreitet: Was heute wie Zukunftsmusik klingt, ist morgen schon Realität.

In Videostatements und Interviews präsentieren Expert*innen ihre Sichtweisen auf die möglichen Trends der Kommunikation von morgen. Oft enden Museumsrundgänge mit unseren Besucher*innen in der Galerie der 21 Köpfe, um sich einzelnen Fragen zur Zukunft der Kommunikation zu widmen.

Schwerpunkt I & II

  • Digitaler Wandel – Künstliche Intelligenz: Stefan Aufenanger, Yvonne Hofstetter, Stephan Althoff
  • Big Data – Smarte Maschinen: Thomas Schildhauer, Lino Teutenber, Patrick Baudisch

Schwerpunkt III, IV & V

  • Privatheit – Öffentlichkeit – Demokratie: Harald Welzer, Dirk Baecker, Regina Ammicht Quinn
  • Journalismus und Soziale Medien: Bernhard Pörksen, Markus Beckedahl, Barbara Hans
  • Datenschutz: Andrea Astrid Voßhoff, Peter Zoche, Wolfgang Schulz

Schwerpunkt VI & VII

  • Arbeit und Lernen: Christian Rickerts, Thomas Arend, Frederik G. Pferdt
  • Arbeit und Industrie 4.0: Frank Appel, Constanze Kurz, Sabina Jeschke

In drei Blogposts stellen wir die Schwerpunkte mit Auszügen aus den Video-Statements vor. Wir beginnen mit:

 

Schwerpunktthemen I & II

Verlieren wir in der digitalen Welt die Kontrolle über unsere Daten?

 

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Videostatement von Yvonne Hoftstetter

 

Werden wir Privatheit in Zukunft kaufen müssen?

 

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Videostatement von Thomas Schildhauer

 

Die Gegenwart der Zukunft

Dauerausstellungen in Museen sind oft recht statisch – wie kann man einem Feld voll dynamischer Entwicklungen da gerecht werden? Seit dem Tag der Eröffnung der neuen Dauerausstellung im September 2017 als der Bereich der 21 Köpfe der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, stellen wir uns die Frage: Ist die Zukunft der Videostatements schon Gegenwart geworden? Oder reichen die Projektionen viel weiter in die Zukunft hinein?

Um der Prozesshaftigkeit der Digitalisierung gerecht zu werden hat sich aus dem Bereich zur “Zukunft der Kommunikation” das Bürgerdialogforum “Leben und Lernen X.0” entwickelt. Das von Katja Weber gestartete und ab Oktober 2018 von mir übernommene Projekt fragt nach der Zukunft der Bildung, der Demokratie und der Arbeit. Dabei laden wir Bürger*innen und Experten*innen ins Museum ein, um gemeinsam zu diskutieren, welche Herausforderungen der Digitale Wandel mit sich bringt. Ob im Rahmen von Bürgerforen, Kunstaktionen, Debatten-Dienstagen, dem Leben X.0-Podcast oder der Literaturreihe der Acht Visionen – immer wird partizipativ den Fragen von Leben und Lernen X.0 nachgeforscht, um in der Gegenwart über die Zukunft nachzudenken. Die 21 Perspektiven wurden so in den letzten 2,5 Jahren durch viele weitere Perspektiven ergänzt und die nächste Herausforderung ist, wie man diese wieder im Ausstellungsraum wirksam macht. Ein Ergebnis ist sicherlich die Ausstellung #neuland: Ich, wir und die Digitalisierung, die das Museumsteam gemeinsam mit der Nemetschek Stiftung kuratiert hat.

Wir können also gespannt bleiben, was uns die Zukunft weiter bringen wird. Die Vergangenheit der Zukunft ist zumindest das nächste große Ausstellungsthema mit “Back to Future”, welches der #neuland-Ausstellung ab Herbst 2020 folgen wird.

 

Tine Nowak, 15. April 2020

Die Liebe zur Literatur in Zeiten von Corona – Teil II

Die Liebe zur Literatur in Zeiten von Corona – Teil II

Begleitend zu unserer aktuellen Ausstellung „#neuland: Ich, wir & die Digitalisierung“ stellt  unsere Museumsbibliothek an dieser Stelle regelmäßig Titel zum Thema Digitalisierung vor, mit denen wir die Ausstellung literarisch begleiten. Auch wenn Ihr uns im Moment nicht besuchen könnt, hoffen wir Euch einen kleinen Vorgeschmack auf die vielfältigen Aspekte der Ausstellung geben zu können. Nach “Die Liebe zur Literatur in Zeiten von Corona” (Teil I) stellen Euch in Teil II drei Titel vor mit dem heutigen Schwerpunkt: Soziale Medien, Hashtags und Emojis.

Aufmerksamkeit als Darbringung im sozialen Netz

Die Dissertation „Die soziale Logik des Likes. Eine Twitter-Ethnografie“ von Johannes Paßmann,  ist eine ethnografische Untersuchung der sozialen Medien des Twitterns und ihrer Auswirkungen mit dem Ziel, die Kultur der 2010er Jahre zu protokollieren. Die Studie untersucht den Prozess des User-Werdens und Follower-Seins und insbesondere die Funktion von Likes und Retweets als Währung und somit als Transaktionsprozesse der  sozialen Plattformen. Mit dem Begriff des „Likes“ als „Gabe“ wird dieser spezifische Aspekt der Digitalisierung in einen kulturanthropologischen Zusammenhang mit anderen Medien der Menschheitsgeschichte gebracht, die im Fokus von Anerkennung, Bedeutung und Verbindung stehen und die Aufgabe haben, soziales Leben zu organisieren.

Paßmann, Johannes: Die soziale Logik des Likes. Eine Twitter Ethnografie.  Frankfurt : Campus Verlag, ISBN: 978-3-593-50910-5

 

Der Siegeszug des Schlagworts

Mit einem weiteren Phänomen, das seit den 2010er Jahren als ein Medium der Digitalisierung Karriere machte, beschäftigt sich das Buch „Das Diktat des #hashtags. Über ein Prinzip der Debattenbildung.“ von Andreas Bernard. Wie wurde das Zeichen # zum Prinzip eines kollektiven Schlagwortes und wie wirkt sich diese Entwicklung problematisch auf aktuelle Debattenbildungen aus? Gerade anhand der Selbstverständlichkeit unserer heutigen Nutzung von Hashtags als Etikett um Aussagen sichtbar zu machen, verweist der Autor auf die Risiken dieses modernen Strukturierungsprinzips öffentlicher Diskussionskultur.

Bernard, Andreas: Das Diktat des Hashtags. Über ein Prinzip der aktuellen Debattenbildung.  Frankfurt : Fischer Verlag, ISBN: 978-3-596-70381-4

 

Wie spricht man Emoji?

Von einer ganz spezifischen Form der Kommunikation, die mit der digitalen Entwicklung einherging, handelt das Lexikon „How to speak Emoji. Der Sprachführer.“ von Fred Benenson, der mit der Übersetzung von Moby Dick in Emojis (Emoji Dick) bekannt wurde. Dass man Emojis nicht zu ernst nehmen sollte und letztlich der Spaß an ihnen zählt, wie der Autor in der Einleitung schreibt, spiegelt das Buch in einer witzigen Darstellung etlicher gebräuchlicher Emojis, und macht nicht den Versuch, eine ernsthafte Anleitung zum lexikalischen Gebrauch zu sein. Vielmehr hält es faszinierend fest, in welch fantasievollen Emoji-Kombinationen Menschen ihre Empfindungen, Beleidigungen, Redewendungen, berühmte Zitate und ganze Geschichten ausdrücken. Und hält einige Überraschungen parat wenn man sich sonst nur im smiley-face-Bereich rumtreibt: der Drache ist empfindsamer als sein Ruf und der Teufel kann sowohl für einen Kater als auch für Akne stehen. Und welches Emoji „völlige moralische Desintegration“ ausdrückt, weiß man nun auch, falls man es irgendwann mal braucht.

Benenson, Fred: How to speak Emoji. Kempen : moses Verlag, ISBN: 978-3-89777-902-0

 

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Wir hoffen, Euch bald wieder im Museum und in der Bibliothek zu sehen. Bleibt gesund!

 

Autorin: Sandy Lang, 9. April 2020

Episode 7: Was sind OER?

Episode 7: Was sind OER?


Der Erklärpodcast zum Digitalen Wandel widmet sich zentralen Begriffen der Digitalisierung: Von A wie Algorithmen bis S wie Social Scoring reicht das Themenspektrum. Der Podcast ist Teil des Dialogprojekts “Leben & Lernen X.0” am Museum für Kommunikation Frankfurt, in dem im Dialog mit der Bürgerschaft Fragen zur Zukunft der Bildung, Arbeit und Demokratie verhandelt werden.

“Was sind OER?” fragt Tine Nowak als Gastgeberin des Leben X.0-Podcasts. Als Co-Moderator ist dieses Mal Stefan Jahrling dabei, er arbeitet als Medienpädagoge am Museum für Kommunikation Berlin. Nach einem Blick in die Wikipedia entfalten drei Expert*innen den Begriff der Open Educational Resources (OER) aus unterschiedlichen Blickrichtungen: Anja Lorenz (TH Lübeck) führt grundlegend in den Begriff ein, Lawrence Lessig (Harvard Law School & Harvard University) blickt zurück, als Creative Commons gegründet wurden und Christian Friedrich (Wikimedia Deutschland) spricht über den Nutzen von OER gerade für Lernen in einer digital geprägten Welt.

Die folgenden Kapitel lassen sich im Player direkt ansteuern, wenn man im Player (oben) über “Alle Episode” das Icon ganz links anklickt, damit öffnet sich das Kapitelverzeichnis.

00:00:39 Einstieg mit Stefan Jahrling
Stefan Jahrling ist Medienpädagoge am Museum für Kommunikation Berlin. Er befasst sich da mit klassischer Museumspädagogik, allerdings mit einem medienpädagogischen Fokus: dem Einsatz von Medien in der Vermittlung, Medienkompetenzförderung, sowie Themen wie Cybermobbing oder Fake News. Museen versteht er als Orte der Bildung.

00:03:44 Podcast-Konzept
Der Podcast erläutert in jeder Episode ein Schlagwort der Digitalisierung. Die Begriffe wurden durch ein Publikumsvoting ermittelt. Immer eine* andere* Museumskollegin oder ein -kollege aus der Museumsstiftung ist als Co-Moderation dabei, zudem wird der Begriff in der Wikipedia nachgeschlagen und es gibt Erläuterungen von drei verschiedenen Expert*innen.

00:05:01 Begriffsklärung OER
Stefan Jahrling beschreibt OER als freie Bildungsmaterialien, die zur Nutzung frei gestellt wurden. Er selbst verwendet auch OER, diese sind gerade im Bereich Medien und Medienpädagogik sinnvoll, weil das Thema ständig im Wandel ist.

00:06:37 Wikipedia: Open Educational Resources
In allen Episoden wird als Ausgangspunkt des Podcasts der erste Absatz des Wikipedia-Artikels zum Thema – OpenEducational Resources – vorgelesen. In diesem Fall ist es jedoch nur ein Auszug, da der ganze Absatz etwas länger ist. In dem Absatz werden OER als freie Lern- und Lehrmaterialien mit einer offenen Lizenz beschrieben, als Anwendungsfelder werden zunächst die Fern- und Hochschulbildung benannt. Etwas überraschend erscheint der prominente Verweis auf Reputationsarbeit als Motiv der Autor*innen, da von Stefan Jahrling und Tine Nowak die Community stärker von Aktivismus und dem Sharing-Gedanken geprägt erlebt wird. Die Wikipedia ist ein weitverbreitetes Beispiel für die Verwendung von Creative Commons Lizenzen, und kann durch dieses Lizenzmodell selbst als offene Bildungsresource genutzt werden.

00:11:08 Anja Lorenz
Anja Lorenz ist Online-Redakteurin und MOOC-Makerin am Institut für Lerndienstleistungen der Technischen Hochschule Lübeck. Dort finden sich u.a. auch Onlinekurse zu OER statt (z.B. #COER16). Zudem ist sie die eine Hälfte des BildAltEntf-Podcasts. Sie erläutert, dass OER-Bildungsmaterialien verschieden sind: das können Arbeitsblätter, Videos oder ganze Kurse sein. Das O steht für Open also offen, das heißt zumeist kostenlos und frei zugänglich. Der englische Begriff der Open Educational Resources hat sich auch in Deutschland durchgesetzt, er ist durch den internationalen Diskurs geprägt worden. Eingeführt wurde der Begriff OER 2002 in einem Abschlussbericht der UNESCO, in dem stand, dass Bildungsmaterialien im Idealfall offen und frei und für alle nutzbar sein sollten. Diese OER können in allen Bildungsbereichen eingesetzt werden, sowohl in der informellen Bildung als auch in den Schulen oder Hochschulen. Anja Lorenz würde zum Start von OER drei Dinge vorschlagen: 1) den MOOC zum OER-Fachexpert*innen #OERexp, der im März 2020 neu startet. 2) Die Webseite der OER Infostelle: https://open-educational-resources.de. 3) Und zuletzt eines der OER Camps, die nächsten finden im Februar und März 2020 in Berlin und Bonn statt. Als weitere Quellen und Orte von OER ergänzt Stefan Jahrling z.B. das Medienpädagogok-Praxis Blog und die Medienpädagogik-Praxis Camps.

00:31:12 Lawrence Lessig
Lawrence Lessig gehört zum Gründungs-Team der Creative Commons-Lizenzen. Er Professor für Rechtswissenschaften (Harvard Law School und Harvard University). Er berichtet von den Anfängen der Creative Commons (CC). In den frühen Jahren, so um Jahr 2002/03 erlebte er das Web als von “Urheberrechts-Kriegen” geprägt, mit polarisierenden Positionen von Urheberrechts-Extremist*innen und Urheberrechts-Anarchist*innen. Die Creative Commons-Lizenzen brachten eine Alternative ins Spiel. Die Innovation in der Arbeit an den Lizenzen selbst beschreibt Lessig als vergleichweise langweilig, wenn man die Möglichkeiten in der Anwendung betrachtet. Die Wissenschafts- und Bildungs-Communities testeten die neuen Lizenzen in aufregenderen Bereichen aus. Der Einsatz von CC-Materialien veränderte das Lehr-/Lern-Setting. Lehrmaterialien selbst zu erstellen und verändern zu können hat die Art zu Lehren geprägt. Die CC-Lizenzen waren nicht die ersten freien Lizenzen: die Free Software Foundation und Open-Source-Bewegung war hier schon vorab aktiv. Doch diese Lizenzen eignen sich besser für Software und weniger gut für kulturelle Erzeugnisse. Die Herausforderung bestand darin, so Lessig, ein Umfeld zu fördern, dass die Menschen dazu ermutigte, Dinge zu tun, die niemand zuvor geplant hatte. Diese Innvationsfreiheit sei ein Grundpfeiler des freien Internets, die er durch geschlossene Plattformen wie z.B. Facebook bedroht sieht. Das freie Internet sei wichtig für die Freiheit der Bildung.
Disclaimer: Das Gespräch mit Lessig fand am 12.9. in der Wikimedia statt. Wir empfehlen den zur Netzpolitik-Tagung aufgenommenen Netzpolitik-Podcast zu hören, in dem sich Lessig u.a. zu einem am 14.9. in der New York Times veröffentlichten Interview äußert. Die im Podcast thematisierten Äußerungen Lessigs zum MIT und den von dort angenommenen Epstein-Spenden werden bis heute kritisch diskutiert. Beim Podcastgespräch war dieser Diskurs uns selbst nicht präsent gewesen, sie blieb somit nicht wissentlich unerwähnt.

00:55:57 Christian Friedrich
Christian Friedrich ist Referent für Bildung und Wissenschaft bei der Wikimedia in Deutschland, außerdem ist er freiberuflich im Bereich Bildung & „Open Educational Resources“ tätig. Er ist zudem Podcast-Gastgeber und Teil des „Feierabendbier Open Education“-Podcasts. Er beschreibt OER als eines der Kernthemen für Wikimedia Deutschland und OER als freie Bildungsmaterialien sind somit Teil seiner Arbeit. Dabei ist für ihn der Aspekt der Öffnung von Bildung immens wichtig. Martin Weller (Open University) spricht von der Wikipedia als eine der ersten Open Education Resources. Das Problem, dass dem allem eigentlich zugrunde liegt ist jedoch das Urheberrecht, das nicht mehr zeitgemäß ist, gerade wenn es um Bildungsmaterialien geht. OER seien nicht Selbstzweck, sondern derzeit notwendige Krücken. Nicht überall ist das Urheberrecht der Hauptmotor für offene Bildungsmaerialien. In einer globalen Perspektiven kommen Faktoren wie Ungleichheit hinzu, für die OER einer der Lösungswege sein kann. Er fragt sich mit Blick auf das deutsche Bildungssystem, warum so wenig Bildungsmaterialien öffentlich finanziert werden. Es gäbe ein Ungleichgewicht in Hinblick auf kommerzielle Anbieter, was gar nicht bedeutet solle, dass Bildung umsonst sein müsse oder nichts kosten dürfe, nur die Kosten müssten anders verteilt werden. Und man müsse generell öffentlich über eine Haltung zu digitaler Bildung und Lernen digital nachdenken.

01:17:14 Resümee
Stefan Jahrling resümmiert, dass Bildungsarbeit und Bildungspolitik hier stärker gefordert sein sollten: in Bildung müsse stärker investiert werden. Creative Commons und freie Bildungsmaterialien sieht er als Riesenchance, um Bildung voranzubringen. Auch wenn OER für ihn persönlich kein neues Thema sind, hat ihn im Verlauf der Episode der Gedanke beschäftigt, dass es bei seiner eigenen Arbeit im Museum großes Potential gibt, in Richtung offener Bildungsmaterialen zu arbeiten. Wichtig scheint ihm auch – gerade aus den Reihen der Museen – dass man politisch forden müsse, dass Bildungsarbeit kostet und verweist dabei auf ein Zitat von Derek Bok (Havard University):  “If you think education is expensive, try ignorance”.

01:20:40 Abschied
Wir verweisen bei der Gelegenheit gleich noch auf die nächste Episode zu: Was ist Arbeit 4.0?

01:21:25 Extra track: Lawrence Lessig and OER (in english)
The interview with Lawrence Lessig took place on 12th of September at Wikimedia Germany: Lawrence Lessig is part of the founding team of Creative Commons Licenses. He is Professor of Law (Harvard Law School and Harvard University). He reports on the beginnings of the Creative Commons movement. In the early years, around 2002/03, he experienced the Web as being marked by “copyright wars”, with polarizing positions of copyright extremists and copyright anarchists. The Creative Commons licenses brought an alternative into play. Lessig describes the innovation in the work on the licenses themselves as comparatively boring when one considers the possibilities in application. The scientific and educational communities tested the new licenses in more exciting ways. The use of CC materials changed the teaching and earning setting. Being able to create and modify educational materials yourself has shaped the way teaching is done. The CC licenses were not the first free licenses: the Free Software Foundation and Open Source movement had been active in this area before. But these licenses are more suitable for software and less suitable for cultural products. The challenge, according to Lessig, was to foster an environment that encouraged people to do things that no one had ever planned for. This freedom of innovation is a cornerstone of the free Internet, which he sees threatened by closed platforms and ‘walled gardens’ such as Facebook. The free internet is important for the freedom of education.
Disclaimer: We recommend in this context listening to the Net Politics Podcast (NPP 184) recorded at the Netzpolitik Conference in Berlin, in which Lessig comments on his Medium article and an interview published in the New York Times on 14th of September. Lessig’s comments on MIT and the Epstein donations accepted by MIT are still being critically discussed.

Gibt es zu der Episode noch offene Fragen oder Ergänzungen? Dann schreibt uns per Mail oder Twitter (@mfk_frankfurt mit Hashtag #LebenX0). Wenn die Episode oder der Podcast Euch gefallen hat, dann könnt Ihr uns mit einer Bewertung oder Rezension bei iTunes eine Freude machen.

Ein Podcast des Museums für Kommunikation Frankfurt (Museumsstiftung Post und Telekommunikation).

Gäste: Anja Lorenz, Lawrence Lessig und Christian Friedrich
Co-Moderator: Stefan Jahrling
Redaktion/Produktion: Tine Nowak
Sprecher Lessig: Marc Rodriguez
Lizenz: CC-BY SA 4.0
Intro-Musik: “F” by Initials DC (mit freundlicher Genehmigung).
Remix mit Tonfragmenten aus der Sammlung der MSPT durch Uvo Pauls.

Autorin: Tine Nowak

#neuland-Entdecker*innen gesucht!

#neuland-Entdecker*innen gesucht!

Stellen wir uns die Digitalisierung und ihre Folgen für Gesellschaft und Individuum als großes Land vor: Ein Land, das uns in weiten Teilen wohl vertraut ist – in dem es aber auch noch unendlich viel zu entdecken gibt! Ab 26. März 2020 wird das Museum für Kommunikation Frankfurt zusammen mit der Nemetschek Stiftung eine Ausstellung zeigen, die der Frage nachgeht: Was hat die Digitalisierung mit uns zu tun? Wie wirkt sich die die Digitalisierung auf meine Lebenswelt aus?

Die inhaltliche Erarbeitungsphase hierfür ist endlich abgeschlossen und es geht jetzt an den Feinschliff. Wir tragen unsere Ausstellungsstücke zusammen, wählen Schriftarten aus, verfeinern Ideen für Mitmachstationen – und arbeiten an unseren Medien-Stationen. Und hier kommt IHR ins Spiel: Wir brauchen Eure Unterstützung für ein Schlüsselelement unserer Ausstellung – die BIOGRAFISCHEN INTERVIEWS!

Wir suchen Dich und Deine #neuland-Erfahrungen

Wie wirkt sich die Digitalisierung ganz konkret auf unser Leben aus? Verändert sie die Gesellschaft und kann man sich ihr verweigern, wenn man das möchte? Wer bin ich online? Wo ist der Unterschied zwischen dem Profil und der Person? Wie fühlt sich das Kennenlernen im Netz an? Wie gehen wir im Netz miteinander um? Und wem gehören eigentlich unsere Daten im Internet?

Schlagworte der Ausstellung sind: #Identität #Profil #Daten #Identifikation #Kommunikation #Diskurs #Optimierung #Bewertung #Beziehung #Dating #Statusarbeit #Wissen #Lernen #Orientierung #Wahrheit #Medien #Demokratie #Gesellschaft

Unser digitaler Alltag: Berichte aus unserer Lebenswelt sollen ein zentraler Teil der Ausstellung “#neuland: Ich, wir & die Digitalisierung” werden. Melde Dich bei uns – mit Stichworten, welchen Blickwinkel Du zur Digitalisierung mit einbringen könntest – per Telefon bei Tine Nowak oder per Mail an lebenundlernen (at) mspt.de, damit wir Dich kennenlernen können.

Video-Interviews

Wir melden uns bei allen und laden nach einem Vorgespräch ein, ausgewählte Erfahrungen mit uns zu teilen. Die Video-Interviews entstehen in Kooperation mit dem Medienprojektzentrum Offener Kanal Rhein-Main in Offenbach, wo die Interviews professionell aufgezeichnet werden.  Natürlich kannst Du auch gerne Freund*innen, Familie, Bekannte und Kolleg*innen ansprechen – wir freuen uns über viele Teilnehmende aus allen Altersgruppen. Es ist nicht wichtig, ob Du einen voll digitalen Lebensstil hast, ob Du der Digitalisierung eher kritisch gegenüberstehst oder Du Dich ihr sogar soweit wie möglich entziehst. Alle Perspektiven auf dieses wichtige Thema sind für uns interessant und wertvoll.

Vielen Dank für die Teilnahme! Die Interviews sind aufgzeichnet und werden nun gesichtet. Ab 26. März sind sie Teil der #neuland-Ausstellung

Autorin: Anjuli Spieker

Anjuli Spieker ist freie Kuratorin und Kulturvermittlerin.