Wie wäre es, wenn …

Wie wäre es, wenn …

… wir in Health Coins, Eco Yuans und Crazy Royals entlohnt würden?

Eine eigentümliche Vorstellung − doch vielleicht ist das schon bald unsere Realität? Zumindest hat die Schriftstellerin Katharina Adler diese Vorahnung. Sie und sieben andere Literat*innen haben sich für das Projekt „Acht Visionen. Zukunft. Arbeit. Literatur“ in die Zukunft gedacht: Ihre Kurztexte beschreiben, wo wir in Zukunft arbeiten werden, welche Arbeit wir verrichten und wie wir mit unseren Kolleg*innen – egal ob Mensch oder Maschine – kommunizieren werden. In viermal zwei Lesungen stellen die Autor*innen ihre Texte im Museum für Kommunikation Frankfurt vor. „Acht Visionen“ ist ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Literaturhaus Frankfurt und Teil des Vernetzungsforums „Leben & Lernen X.0“, das gemeinsam mit den Bürger*innen Strategien erprobt, die uns dabei helfen, die digitale Transformation besser zu begreifen. Die letzte Lesung “Epilog und Buchpremiere” wurde auf den 24. Juni verschoben, es lesen Mariana Leky und Lukas Rietzschel. Am selben Abend wird auch die Begleitpublikation vorgestellt. 

Was hat es eigentlich mit dem Suppenteller auf sich?
Wie wäre es eigentlich, wenn wir keine festen Arbeitsplätze mehr hätten und jeden Tag wie Tischlein-wechsel-dich an einem neuen, mobilen Schreibtisch sitzen würden? Daniel Wisser stellt uns in seinem Text Frau Hechtler vor, eine Versicherungsangestellte. Wenn sie nach der Arbeit mit ihren Freundinnen in einer Bar sitzt, leert sie ihre Handtasche, und zum Vorschein kommen vier Dinge, die sie jeden Tag mit zur Arbeit nimmt: ihr Laptop, ihr Mobiltelefon, ein leerer Fotorahmen und ein Suppenteller.
Den Fotorahmen stellen die Mitarbeiter*innen der Versicherung als Mahnmal für den verloren gegangenen Schreibtisch auf: Ihnen ist es untersagt, persönliche Utensilien am Arbeitsplatz zu hinterlassen. Doch was hat es mit dem Suppenteller auf sich?
„Sie hatte auf diese Frage gewartet, lächelte, trank einen Schluck von ihrem Negroni und sagte, das sei eine noch viel wildere Geschichte.“
Daniel Wisser

Zukunftsmusik
Überhaupt, wie kann die wohltemperierte Work-Life-Balance gelingen? Werden wir zu Getriebenen, die gegen die bedin- gungslose Effizienz von Maschinen ankämpfen? Um Krankmeldungen entgegenzuwirken, würden Fabriken neuerdings Fitnessgeräte in einem Kabuff neben dem Fließband aufstellen, prognostiziert Isabelle Lehn in ihrem Text „Zukunftsmusik“. Wer sich bei der Arbeit verletze, der habe sich vorher eben nicht richtig aufgewärmt. „Human Resources“ werden an Grenzen getrieben, die sie vorher gar nicht kannten. Die „Zukunftsmusik“ von Isabelle Lehn ist ein Abgesang auf die Arbeit von Bürokräften, Hilfsarbeitern, Anlagen- und Maschinenbedienern: Sie verschwinden schleichend wie das Handwerk des Pechsieders. Schöne neue Arbeitswelt!
Welch Glücksgefühl: Eine Runde am Polyplay! 
Verglichen mit den Zwängen dieser vollautomatisierten und „durchdigitalisierten“ Welt leben die Kinder aus Bullerbü im analogen Paradies: ohne Smartphones, Tablets, Internet, Spielekonsolen und Alexa. Sie angeln, fangen Krebse und laufen im Winter Schlittschuh. Jochen Schmidt – Anhänger der Lindgren’schen Landidylle, doch dem technischen Fortschritt durchaus zugeneigt – erzählt in seinem Text von seiner sozialistischen Kindheit: Wie versteinerte Fossilien aus einer naturwissenschaftlichen Sammlung zählt er technische Geräte und Kommunikationsformen auf, die seine Jugend in der DDR geprägt haben. Sie zeugen von der langsam fortschreitenden Technisierung.

Welch Glücksgefühle kamen bei dem jugendlichen Helden auf, wenn eine Runde am „Polyplay“-Spielautomaten – einem in der DDR hergestellten Arcade-Spielautomaten – gezockt werden durfte! Das letzte Telegramm mit Glückwünschen von seiner Mutter erhielt Schmidt am Tag des Mauerfalls, zu seinem Geburtstag. Fürs Sprachenlernen hatte Schmidt lange Vokabellisten auf Kassette gesprochen und auf dem Walkman beim Zähneputzen und Einschlafen gehört, um sie sich besser einzuprägen. Die Liebe zu einem osteuropäischen Mädchen pflegte Schmidt per SMS. Damals setzte sich ein digitaler Kuss noch aus einem Doppelpunkt und einem Sternchen zusammen. Doch Schritt für Schritt wich Schmidts Technikbegeisterung einer tiefgreifenden Skepsis: Es gehe doch heute eher wieder darum, analoge Schutzräume – ähnlich den drei Höfen in Bullerbü – zu verteidigen. Eine letzte Bastion des Analogen sei auch das Briefeschreiben:

Doch „[s]obald ich aus dem Haus gehe, vergesse ich, daß ich einen Brief einwerfen wollte. […] Eine meiner Geschäftsideen ist deshalb brieferando.de, ein Service, bei dem der Briefträger die Briefe nicht zu einem nach Hause bringt, sondern sie von dort abholt und zum nächsten Briefkasten trägt.“

Jochen Schmidt

Noch Vision oder Realität?

Die Visionen der acht Autor*innen deuten zum Teil weit in die Zukunft. Doch in einigen Texten scheint die Wirklichkeit nur einen Steinwurf entfernt. Die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verschwimmen zu einem Gegenwartsbild, das unserer Lebensrealität sehr nahe kommt: Mitten im Digitalisierungsprozess, den wir durchlaufen, wissen wir nicht immer ganz genau, ob es sich noch um Vision handelt oder ob es schon längst Realität ist. Literatur kann uns dabei helfen, auf diese Prozesse zumindest ein wenig vorbereitet zu sein.

Ein Duo machte die acht Visionen noch komplett: Thomas von Steinaecker und Julia Wolf. Und zur Buchpremiere bestreiten Mariana Leky und Lukas Rietzschel noch einen Leseabend. Alle Texte werden in einer eigens für das Projekt zusammengestellten Publikation veröffentlicht.

Interviews und Ausschnitte aus den Lesungen von beteiligten Autori*innen bei hr2-kultur.

   

ACHT VISIONEN ist ein Projekt des Literaturhauses Frankfurt mit dem Museum für Kommunikation in Zusammenarbeit mit hr2-kultur. Gefördert von „experimente#digital“, der Kulturinitiative der Aventis Foundation, sowie dem Kulturamt Frankfurt am Main.  
Text: Regina Hock, 16. April 2020
Big Data is watching you!

Big Data is watching you!

Jede Woche stellen wir euch ein Phänomen aus unserer Dauerausstellung mit Blick auf die Gegenwart vor. Heute das Phänomen Kontrolle. Daten sind zum wichtigsten Rohstoff des 21. Jahrhunderts geworden. Jede*r erzeugt durch scheinbar alltägliche Klicks Datenströme. Dabei hinterlassen wir Informationen darüber, was wir mögen, wen wir kennen und wer wir eigentlich sind. Die Summe aller Daten wird “Big Data” genannt. Um seine persönlichen Informationen und Nachrichten geheim zu halten, rückt die Wissenschaft die Verschlüsselung – die Kryptografie – immer wieder in den Mittelpunkt der breiten öffentlichen Debatte.

Beim Weg zur Arbeit navigieren wir mobil, beim Kauf von Lebensmitteln nutzen wir die Kundenkarte – zwischendrin verteilen wir bei Facebook und Co. noch ein paar Likes und bei einem spannend klingenden Newsletter setzen wir noch geschwind einen Haken – so hinterlassen wir unsichtbare jedoch kostbare Spuren.

Streng geheim!

Das Phänomen seine Nachrichten geheim zu halten ist nicht neu. Bereits seit der Antike wollen Menschen ihre Informationen vertraulich teilen. Julius Cäsar verwendet 50 v. Chr. für seine Briefe noch eine einfache Buchstabenverschiebung. Ab dem 15. Jahrhundert werden sogenannte Chiffrierverfahren immer raffinierter. Ab dem 19. Jahrhundert ändert sich dies, denn Telegramme und Postkarten können auch von Dritten gelesen werden. Korrespondenzen, die nicht für die Augen von Fremden gedacht sind, können von nun an chiffriert werden.

100 Quadrilliarden Kombinationsmöglichkeiten

Im ersten Weltkrieg verschlüsselt das deutsche Militär noch per Hand, sodass der Gegner die meisten Korrespondenzen mitlesen kann. Aus diesem Grund nutzt die Wehrmacht ab 1930 die Chiffriermaschine „Enigma“ (auf deutsch „Rätsel“) – welche 100 Quadrilliarden verschiedene Kombinationsmöglichkeiten hat und scheinbar nicht entschlüsselbar ist. Scheinbar – denn was die Deutschen nicht ahnen ist, dass bereits 1932 die polnischen Kryptologen die Arbeitsweise der Enigma nachvollziehen. So können die Alliierten 80.000 Funksprüche pro Monat entschlüsseln. Mit diesem Wissen entscheiden sie den Zweiten Weltkrieg für sich.

Boykott und Protest

Ein zeitgenössischeres Beispiel für den Kampf um die eigenen Daten ereignet sich in den 1980er-Jahren in Deutschland. Das statistische Bundesamt will 1987 eine Volkszählung durchführen. Ziel soll die Feststellung von veränderten Infrastrukturen und sozialem Gefüge sein, um diese gegebenenfalls anzupassen. Innerhalb wenigen Wochen bilden sich hunderte Bürgerinitiativen, die zum Protest und Boykott der Volkszählung aufrufen. Zentraler Kritikpunkt ist, dass die darin enthaltenen Fragen Rückschlüsse auf die Identität der Befragten zulassen. Somit verstößt die Erhebung gegen den Datenschutz – und folglich auch gegen das Grundgesetz. Die Angst der Akteur*innen vor dem „gläsernen Bürger*in“ und einem „Überwachungsstaat“ ist groß. Der Protest hat Erfolg. Die Befragung wird neu konzipiert, um die Anonymität der Bürger*innen besser zu gewährleisten.

Wir sind Daten!

Da sich unser Leben mehr und mehr ins Digitale verschiebt, brauchen wir nicht nur im Analogen Regulierungen und Kontrollen, die unsere persönlichen Informationen schützen. Immer bedeutsamer werden aus diesem Grund technologische Sicherheitsvorkehrungen, wie die Anonymisierung – denn eins ist gewiss: Wir sind Daten!

Text: Caroline Dörr, 11. April 2020

Fantastische Erfindungen – oder nichts als Fantasie?

Fantastische Erfindungen – oder nichts als Fantasie?

„April, April!“ heißt es heute, am Tag der Scherze, an dem Witzbolde traditionsgemäß andere hereinlegen. Auch wir versuchen heute unser Glück: Seit jeher träumen Visionär*innen von Zeitmaschinen, Universalübersetzern oder fliegenden Autos. Dabei findet man oft Entwürfe für die Technologien unserer Gegenwart in längst vergangenen Tagen. Am 1. Oktober 2020 eröffnen wir die Ausstellung „Back to Future – Technikvisionen zwischen Science-Fiction und Realität“. Die Ausstellung nimmt mit auf eine Zeitreise in die Zukunft von gestern und erklärt die Ursprünge von fantastischen Ideen. Wie spiegeln sich Hoffnungen darin wider und wie projizieren wir unsere Sehnsüchte in die eigene Zukunft? Apropos Hoffnungen und Sehnsüchte: Wir stellen Euch drei Objekte aus unserer Sammlung und die Idee dahinter vor, doch nicht alle hat es tatsächlich gegeben. Welche skurrilen Erfindungen sind Realität gewesen und welche haben wir uns ausgedacht? Ob wir es geschafft haben, Euch hinters Licht zu führen, erfahrt Ihr am Ende des Beitrags.

1. Sprachübertragung durch Licht

Und das lange vor der Erfindung der Glasfaser und auch noch drahtlos! 1880 wusste man noch nicht, dass man Tonsignale auf elektromagnetische Wellen modulieren kann, um sie in den Raum abzustrahlen. Bis zur Entwicklung eines Rundfunks sollte es immerhin noch 40 Jahre dauern. Man wusste auch noch nichts von Halbleitern und der photoelektrische Effekt von Selen, die Änderung der Leitfähigkeit mit der Helligkeit, kursierte als Kuriosum gerade in der Gelehrtenwelt. Und wie so oft kam die Anwendung vor dem Verständnis: Ein Hohlspiegel ist mit einer Membran verbunden, die durch Sprache zum Schwingen angeregt wird. In seinem Brennpunkt befindet sich eine Lichtquelle, im Brennpunkt eines zweiten Hohlspiegels eine Selenzelle als Wandler und fertig ist das drahtlose Richtfunk-Telefon, das das Sprachsignal über eine beachtliche Strecke von mehreren dutzend Metern transportiert.

Die Selenzelle wandelt die durch die Vibration des Hohlspiegels veränderte Lichtintensität in elektrischen Strom unterschiedlicher Stärke, der dann über einen Lautsprecher wieder in Schall umgewandelt wird. Als Lichtquelle konnte einfach Sonnenlicht dienen, das über ein Linsensystem gebündelt wird, oder wie an diesem Objekt, die Flamme eines Gasbrenners. Hier geht’s zur Auflösung.

2. Die magnetische Stempeluhr

 

Aus unserem Leben hier ist sie nicht mehr wegzudenken, ihre Verwendung in den Fabriken revolutionierte die Arbeit: Die Stempel- oder Stechuhr. Heute piepsen wir mit einem Chip ein und aus und fragen unser Stundenkonto ab, die Zeiten werden automatisch an unsere Personalabteilung übermittelt. Früher warf man einen Chip in sich drehende Fächer oder stempelte seine Anwesenheitskarte. Wie in Das Archiv 01/2020 schon beschrieben, war die Post oft Vorreiter in der Automatisierung, so auch auf dem Gebiet der Zeiterfassung. In den 1920er Jahren wurde in kleineren Postämtern ein System getestet, das ähnlich wie die heutige Diebstahlsicherung mittels RFID-Tag funktionierte: jeder Beamte trug einen unterschiedlich großen Magneten mit sich und passierte beim Betreten des Amtes eine Tür, die mit großen Antennen besetzt war.

Dort induzierte der im elektrischen Feld bewegte Magnet einen Stromimpuls, der durch einen Röhrenverstärker verstärkt wurde und in einer mechanischen Uhr einen Stift auslenkte, der auf einem laufenden Papierstreifen einen Zacken zeichnete. Die Magneten, die die Beamten mit sich trugen, waren unterschiedlich groß, so dass der Stromimpuls unterschiedlich stark und der Zacken somit auch unterschiedlich lang war. Daran konnte man erkennen, wer wann das Postamt betreten oder verlassen hatte. Hier geht’s zur Auflösung.

3. Das Antlitz des Geliebten live

In der heutigen Zeit, ganz besonders bei #wirbleibenzuhause und #socialdistancing, ist Videotelefonie unsere Verbindung nach außen, unser Ersatz für Sozialkontakte, unser Mittel gegen Einsamkeit oder auch, um im Unternehmen den Betrieb aufrechtzuhalten. Vorletzten Dienstag haben wir Euch ja schon unsere Sammlung zu diesem Gebiet vorgestellt, aber eine ganz besondere Erfindung der Reichspost haben wir unterschlagen. Bereits 1929, als das Fernsehen noch in seinen mechanischen Kinderschuhen steckte und Bilder mittels einer Spirallochscheibe abgetastet wurden, dachten findige Köpfe darüber nach, wie man dieses Medium nutzen konnte, um seinen Lieben näher zu sein. Schließlich war die Idee zur Spirallochscheibe dem Studenten Paul Nipkow an Weihnachten gekommen, als er einsam und alleine in seiner Bude hockte, weil er sich die Heimfahrt nicht leisten konnte.

Ähnlich einer Telefonzelle wurde eine Sprechverbindung aufgebaut und zusätzlich ein Bild mechanisch abgetastet und im Zwischenfilmverfahren entwickelt, erneut abgetastet und übertragen. Das Gleiche geschah mit dem Gesprächspartner, so dass dessen Bild, ebenfalls mittels Spirallochscheibe mechanisch projeziert, auf einer Mattscheibe in bequemer Blickhöhe erschien. Zur Übertragung des Signals wurden extra leistungsstarke Kabel zwischen den wichtigsten Städten des Reichs verlegt. Zur Olympiade 1936 erfreute sich das Kuriosum großer Beliebtheit. Hier geht’s zur Auflösung.

 

AUFLÖSUNG

 

 

1. Sprachübertragung durch Licht

Die erste Vision klingt ihrer Zeit sehr weit voraus und dementsprechend weit hergeholt. Jedoch existierte das Photophon tatsächlich und wurde 1880 von Alexander Graham Bell und Sumner Tainter patentiert. Unser Objekt ist ein Prinzipnachbau zu Vorführungszwecken aus dem Jahr 1906.

 

 

2. Die magnetische Stempeluhr

Auch die magnetische Stempeluhr klingt plausibel, hat sie doch Einzug in unseren Alltag gefunden und ist weit verbreitet. Aber obwohl die Post oft Spitzentechnologie mit entwickelt hat, ist dieses geniale System nur unserer Fantasie entsprungen. Das Bild zeigt das Zeitansagegerät “Sprechende Uhr” mit eingebautem Schallband von 1911. Mehr darüber findet Ihr in unserer Onlinedatenbank unter der Inventarnummer 4.2011.1486.

 

 

3. Das Antlitz des Geliebten live

Den Erfolg der sehenden Telefonzelle kann man sich ebenfalls vorstellen.Diese so genannte Gegenseh- und Sprechzelle gab es auch tatsächlich in der vorgestellten Form, allerdings war das eher lichtschwache Bild mit nur 90 Zeilen noch nicht so der Renner. Das Originalobjekt befindet sich im Deutschen Museum, im Erbe der Reichspost finden sich allerdings reichlich Bilder und Beschreibungen. Unter dem Stichwart Gegenseh- und Sprechzelle findet Ihr einige Bilder in der Onlinedatenbank.

 

Haben wir es geschafft, Euch hinters Licht zu führen?

Text: Tina Kubot und Regina Lang, 1. April 2020

#HomeOfficeGLAM-Challenge

#HomeOfficeGLAM-Challenge

Jeden Dienstag posten wir unter dem Hashtag #DepotDienstag Objekte aus unserer Sammlung. Heute am #DepotDienstag beteiligen wir uns auch an der sogenannten #HomeOfficeGLAM-Challenge. GLAM ist ein englisches Akronym, das für Galleries, Libraries, Archives und Museums steht und als Sammelbegriff Institutionen umfasst, die sich mit dem Sammeln, Bewahren und Erschließen von Kulturgütern beschäftigen. Bei der #HomeOfficeGLAM-Challenge sollen Objekte und Bilder gezeigt werden, die einen (humorvollen) Bezug zum Phänomen des Zu-Hause-Arbeitens herstellen. Wir zeigen Euch technische Hilfsmittel aus der Vergangenheit und Gegenwart aus unserer Sammlung, die die (Schreib-) Arbeit zu Hause erleichtern sollten.


Federhalter für Damen aus dem frühen 20. Jahrhundert

Den Anfang macht dieser stilsichere Federhalter für Damen aus Silber, der mit einer abgeschrägten Stahlfeder für ein elegantes Schriftbild sorgte. Die Verzierungen im angesagten Jugendstil des frühen 20. Jahrhunderts mit Andeutungen von Blüten, Blättern und Zweigen ermöglichten bei aller Tristesse in den eigenen vier Wänden die nötige Verbindung zur Natur.

Mechanisches Schreiben: Mit der Germania No.5

 

Wem tintenverschmierte Hände auf Dauer zu lästig wurden, griff alsbald zur mechanischen Schreibmaschine, etwa der Germania No.5. Diese war ein Lizenzprodukt der Schreibmaschinenfabrik W. Elschner, Berlin, das auf dem Design eines amerikanischen Herstellers beruhte. Bereits um 1900 hatte sich das QWERTZ-Format der Tastenbelegung durchgesetzt. Wie es zu gerade dieser Anordnung der Buchstaben kam, erfahrt ihr hier:

 

QWERTZ – Woher kommt unsere Tastaturbelegung?

von CONSTANTIN GOLDANN / SWR

Wenn auch die Arbeit mit der Schreibmaschine einiges erleichterte, so blieb die Benutzung doch umständlich. Zum Prüfen des geschriebenen Textes musste im Falle der Germania der sogenannte Wagen (fehlt bei unserem Modell) hochgeklappt werden. Auch Tippfehler verziehen die Geräte nicht. Da hieß es bei wichtigen Dokumenten wohl oder übel, nochmal neu anzufangen.

Der Osborne Executive-Rechner für mobiles Arbeiten von zu Hause

 

Da war es schon eine große Erleichterung, wenn man die Eingabe noch einmal am Bildschirm überprüfen konnte – auch wenn dieser, wie im Falle des Osborne Executive, nicht viel größer war als ein heutiges Smartphone-Display. Zur Markteinführung im Jahr 1983 war dies jedoch eine deutliche Verbesserung. Mit handlichen 13kg und ausgestattet mit moderner Software zur Text- und Datenverarbeitung war der Executive die ideale Wahl für ein bequemes mobiles Arbeiten von zu Hause.


Der Osborne Executive in Aktion


Spielerisches Lernen mit dem MagiPen-Laptop

 

Für anspruchsvollere HomeOffice-Expert*innen ist das freilich nur die absolut nötigste Grundausstattung. Sie greifen auf entsprechende High-End-Geräte, wie den MagiPen-Laptop von VTech zurück und erfreuen sich an der einfachen Bedienbarkeit über die Tastatur oder den Bildschirmstift. Schreibfehler werden hier direkt erkannt und korrigiert. Design und Software sind optimal auf die Nutzer*innen zugeschnitten und ermöglichen ein lebenslanges spielerisches Lernen beim mobilen Arbeiten von zu Hause.

 


Wofür steht GLAM?

GLAM ist ein englisches Akronym, das für Galleries, Libraries, Archives und Museums steht und als Sammelbegriff Institutionen umfasst, die sich mit dem Sammeln, Bewahren und Erschließen von Kulturgütern beschäftigen. Bei der HomeOffice-Challenge sollen Objekte und Bilder gezeigt werden, die einen (humorvollen) Bezug zum Phänomen des Zu-Hause-Arbeitens herstellen.

 

Besucht auch unsere Sammlungsdatenbank! Hier findet Ihr noch viele weitere spannende Objekte, die von zu Hause aus erforscht werden können.


Text: Matthias Lieb, 31. März 2020

Asterix bei den Medien. Oder: Vom Textophon zum Tonband

Asterix bei den Medien. Oder: Vom Textophon zum Tonband

Ein bisschen klingt es wie aus dem Universum der unbeugsamen Gallier, der Band könnte heißen „Asterix bei den Medien“, und der kleine Textophon wäre so ein pfiffiges kleines Kerlchen wie Pepe aus dem Band „Asterix bei den Spaniern“. Plappernd ohne Punkt und Komma, seine Eltern Drahtton und Telegraphon mit permanenten Fragen fordernd: „Wann reisen wir nach Paris zur Weltausstellung?“, „Wie lange dauert es noch, bis mit Drahttongeräten Aufzeichnungen von einer halben Stunde gemacht werden können“ oder auch „Werde ich mal berühmt, weil ich der Urahne des ersten iPods bin?“

Die Online-Ausstellung „Von Drahtton über das Textaphon zum Tonband“ zeichnet eine Entwicklungslinie von 1898 bis 2001 nach. Das erste Gerät, das zur elektromagnetischen Aufzeichnung von Schall diente, besaß noch die Ausmaße eines modernen Standkühlschranks. Später wurden die Aufnahmedauer länger, die Tonqualität besser und die Geräte immer kleiner, bis zu den Mitnahmegeräten Ghettoblaster und schließlich dem iPod.

Aufzeichnung von Schall auf Draht
In Zeiten von Corona bilden die Online-Ausstellungen im virtuellen Museum eine Alternative zum analogen Museumsbesuch. Ich habe den Leiter der Sammlung und Kurator der Ausstellung Frank Gnegel gefragt, was die Präsentation auszeichnet und wie sie kuratiert wurde. Den Impuls setzte unser Kooperationspartner Google Arts & Culture, der alle teilnehmenden Museen einlud, Ausstellungen zum Thema „Inventions and Discoveries/Erfindungen und Entdeckungen“ zu entwickeln.
Die Aufzeichnung von Schall auf Draht mit Hilfe des Elektromagnetismus ist solch eine bahnbrechende Erfindung gewesen. Sie geht auf den Ingenieur Valdemar Poulsen zurück, der 1898 das Telegraphon für die Kopenhagener Telefongesellschaft erfand. Es wurde 1900 auf der Weltausstellung in Paris vorgeführt und wurde zur Sensation. Sogar der österreichische Kaiser Franz Joseph I. sprach in ein Telegraphon. Das Tondokument ist von großer Seltenheit und in der Online-Ausstellung zu hören.

Schritt für Schritt vom Drahtton über das Textophon zum Tonband

Die Google Arts & Culture-Ausstellung bietet eine gute Gelegenheit, die Entwicklung von Aufnahme- und Abspielgeräten mit magnetischen Speichermedien Schritt für Schritt zu zeigen. Insgesamt sind es 17 Geräte aus der Sammlung der Museumsstiftung Post und Telekommunikation in Heusenstamm, die dafür ausgewählt wurden. So viel physischen Raum hat das Museum in seiner Dauerausstellung „Mediengeschichte/n neu erzählt“ nicht zur Verfügung, um die Geschichte eines Mediums zu veranschaulichen. Und es wäre schade, wenn diese besonders wertvollen Objekte aus der Sammlung gar nicht oder nur sehr selten in Sonderausstellungen gezeigt werden könnten. Als Online-Präsentation sind sie digital immer präsent. 

 

Boom der Aufnahmegeräte
Speichermedien mit Magnetaufnahmeverfahren gibt es noch heute. So sind die Streifen auf Kreditkarten und Festplatten in großen Servern Poulsens Erfindung zu verdanken. Ab 1927 ersetzte das „Tonband“ – ein Papierstreifen, auf dem gehärteter Stahlstaub mit Lack fixiert wird – den Drahtton. Dies ebnete den Weg zur Massenproduktion. 1935 wurde das Ton-Band von der BASF aus Kunststoff hergestellt, Aufnahmen in Studioqualität waren damit möglich. Wie so häufig wurden die Geräte im Krieg eingesetzt, um daraus strategische Vorteile zu erzielen. Die Wehrmacht nutzte Tonschreiber zur Aufzeichnung von Telefongesprächen und des feindlichen Funkverkehrs.    

Nachdem Tonbandgeräte in den Nachkriegsjahren zunächst sehr teuer waren, boomten erschwingliche Aufnahmegeräte wie die der Firma Grundig in 1960er Jahren. Ich erinnere mich noch, wie ich als Kinder vor laufendem Tonbandgerät von meinem Vater interviewt wurde und Alltagsgeschehen für Oma und Opa erzählen sollte: „Was gab es denn heute zum Mittagessen?“, „Wer hat denn alles mitgegessen?“ „Hat das geschmeckt?“ Erzählt von ihrer dreijährigen Mutter, könnten meine Kinder solche Aufzeichnungen heute vielleicht wegen der Sprachqualität und der Wortwahl unterhaltsam finden. 

 

Wie die Geräte in die Sammlung kamen?

Die ersten Apparate haben Entwicklerfirmen wie Mix & Genest, Telephon- und Telegraphenwerke Aktiengesellschaft noch selbst an das 1872 von Heinrich von Stephan gegründete Reichspostmuseum gesandt. Im 20. Jahrhundert erwarben die Museumsmitarbeiter regelmäßig Objekte, die neu auf den Markt kamen für die Sammlung. Und nach der Gründung der Museumsstiftung 1995 wurde nach Sammlungskonzepten gearbeitet und es wurde gezielt nach Objekten gesucht um die Entwicklung lückenlos dokumentieren zu können. 

 

Online Präsentation von fragilem Sammlungsgut

 

Aktuell kann die Ausstellung „Germania. Mythos und Marke“ wegen der Corona-Schließung nicht im Museum besucht werden. Wir planen eine Verlängerung über den letzten Zeigetag, den 31. Mai, hinaus, weil sich sehr viele Interessierte an uns gewandt und gefragt haben, ob sie die originalen Entwurfszeichnungen für die berühmte Germania-Marke noch sehen können. Da die Marken aktuell nur spärlichem Licht ausgesetzt sind, ist dies aus konservatorischer Sicht vertretbar. Ebenfalls in Arbeit ist aber auch die Online-Präsentation bei Google Arts & Culture. Denn mit der Gestaltung der Marke als Propagandainstrument zur Kommunikation eines geeinten Deutschland im Zeichen der Germania, stellt auch sie eine bemerkenswerte Erfindung dar. Zuvor war auf Briefmarken bis auf wenige Ausnahmen der Geldwert für den Versand des Briefs abgedruckt. Mit der Gestaltung der Germania gerät eine durchdachte künstlerische Komposition en miniature auf dem kleinen Papier in den Blick von Millionen Empfängern. Wir informieren darüber, wenn die Ausstellung online ist. Bis dahin heißt es zuversichtlich und gesund bleiben!

 

Corinna Engel, 30. März 2020