Jede Woche stellen wir euch ein Phänomen aus unserer Dauerausstellung mit Blick auf die Gegenwart vor. Heute das Phänomen Kontrolle. Daten sind zum wichtigsten Rohstoff des 21. Jahrhunderts geworden. Jede*r erzeugt durch scheinbar alltägliche Klicks Datenströme. Dabei hinterlassen wir Informationen darüber, was wir mögen, wen wir kennen und wer wir eigentlich sind. Die Summe aller Daten wird “Big Data” genannt. Um seine persönlichen Informationen und Nachrichten geheim zu halten, rückt die Wissenschaft die Verschlüsselung – die Kryptografie – immer wieder in den Mittelpunkt der breiten öffentlichen Debatte.

Beim Weg zur Arbeit navigieren wir mobil, beim Kauf von Lebensmitteln nutzen wir die Kundenkarte – zwischendrin verteilen wir bei Facebook und Co. noch ein paar Likes und bei einem spannend klingenden Newsletter setzen wir noch geschwind einen Haken – so hinterlassen wir unsichtbare jedoch kostbare Spuren.

Streng geheim!

Das Phänomen seine Nachrichten geheim zu halten ist nicht neu. Bereits seit der Antike wollen Menschen ihre Informationen vertraulich teilen. Julius Cäsar verwendet 50 v. Chr. für seine Briefe noch eine einfache Buchstabenverschiebung. Ab dem 15. Jahrhundert werden sogenannte Chiffrierverfahren immer raffinierter. Ab dem 19. Jahrhundert ändert sich dies, denn Telegramme und Postkarten können auch von Dritten gelesen werden. Korrespondenzen, die nicht für die Augen von Fremden gedacht sind, können von nun an chiffriert werden.

100 Quadrilliarden Kombinationsmöglichkeiten

Im ersten Weltkrieg verschlüsselt das deutsche Militär noch per Hand, sodass der Gegner die meisten Korrespondenzen mitlesen kann. Aus diesem Grund nutzt die Wehrmacht ab 1930 die Chiffriermaschine „Enigma“ (auf deutsch „Rätsel“) – welche 100 Quadrilliarden verschiedene Kombinationsmöglichkeiten hat und scheinbar nicht entschlüsselbar ist. Scheinbar – denn was die Deutschen nicht ahnen ist, dass bereits 1932 die polnischen Kryptologen die Arbeitsweise der Enigma nachvollziehen. So können die Alliierten 80.000 Funksprüche pro Monat entschlüsseln. Mit diesem Wissen entscheiden sie den Zweiten Weltkrieg für sich.

Boykott und Protest

Ein zeitgenössischeres Beispiel für den Kampf um die eigenen Daten ereignet sich in den 1980er-Jahren in Deutschland. Das statistische Bundesamt will 1987 eine Volkszählung durchführen. Ziel soll die Feststellung von veränderten Infrastrukturen und sozialem Gefüge sein, um diese gegebenenfalls anzupassen. Innerhalb wenigen Wochen bilden sich hunderte Bürgerinitiativen, die zum Protest und Boykott der Volkszählung aufrufen. Zentraler Kritikpunkt ist, dass die darin enthaltenen Fragen Rückschlüsse auf die Identität der Befragten zulassen. Somit verstößt die Erhebung gegen den Datenschutz – und folglich auch gegen das Grundgesetz. Die Angst der Akteur*innen vor dem „gläsernen Bürger*in“ und einem „Überwachungsstaat“ ist groß. Der Protest hat Erfolg. Die Befragung wird neu konzipiert, um die Anonymität der Bürger*innen besser zu gewährleisten.

Wir sind Daten!

Da sich unser Leben mehr und mehr ins Digitale verschiebt, brauchen wir nicht nur im Analogen Regulierungen und Kontrollen, die unsere persönlichen Informationen schützen. Immer bedeutsamer werden aus diesem Grund technologische Sicherheitsvorkehrungen, wie die Anonymisierung – denn eins ist gewiss: Wir sind Daten!

Text: Caroline Dörr, 11. April 2020