Entzugserscheinung – Bibliotheken im Lockdown
Ein Jahr ist es her, dass wir an dieser Stelle den Welttag des Buches feierten, virtuell und mitten im ersten Lockdown. Damals ein Versuch digital mit unserem Nutzerkreis in Kontakt zu bleiben und noch in der optimistischen Überzeugung, dass diese Situation ein Jahr später nur mehr eine Erinnerung sein würde. Doch viele Bibliotheken befinden sich auch heute noch oder wieder im Lockdown und blicken zurück auf ein Jahr zeitweiliger Schließzeiten für die Nutzung, problematischer Literaturversorgung für Studium und Forschung, technischer Herausforderungen im Homeoffice und coronabedingter Personalengpässe. Das Publikum vermisst das Verweilen in seinen Lieblingsbibliotheken, soziale Begegnungen und das Entdecken der Medienwelten vor Ort. Deshalb am heutigen Welttag des Buches: ein sehnsüchtiger Blick auf Bibliotheken und ihre Bedeutung.
Zwischen Infektionsschutz und Literaturversorgung
Der internationale UNESCO-Welttag des Buches und des Urheberrechts ist seit 1995 ein Aktionstag zum Thema Buch und Förderung des Lesens.
Eine wichtige Rolle dabei spielen Bibliotheken, auch – vielleicht sogar umso mehr – seit Beginn des Lockdowns im Frühjahr letzten Jahres.
Was wäre also der heutige Welttag des Buches ohne auch mal einen Blick auf Aktionen von Bibliotheken zu werfen, die kreativ versuchen, mit der schwierigen Situation umzugehen?
Eine der Schwierigkeiten für Kultur- und Bildungsinstitutionen besteht seit der Pandemie darin, die für ihre Öffnungs- und Schließkonzepte relevanten Infos, den sich rasch verändernden und regional variierenden Verordnungen zu entnehmen und angemessen für Personal und Nutzerkreis umzusetzen. Auf kurzfristige Regelungen zu pandemiebedingten Schließungen, reagieren Bibliotheken mit flexiblen Anpassungen von Rückgabeterminen. Das ist logistisch viel aufwendiger als es klingen mag, hilft aber der Aufforderung nachzukommen, unnötige Wege im Lockdown zu vermeiden.
Um ihr Publikum schnell informieren zu können, nutzen viele Bibliotheken seit der Pandemie verstärkt Social Media Kanäle, unter dem Schlagwort #closedbutopen ein verbreitetes Mittel, um in Kontakt zu bleiben.
Zwischen Öffnungen und Schließungen bedarf es passender Hygienekonzepte, die in allen Institutionen im Rahmen ihrer Möglichkeiten umgesetzt werden. Dazu gehören räumliche Schutzmaßnahmen wie Trennscheiben und Abstandsregelungen, aber auch Begrenzungen der Nutzerzahl auf die Raumgröße. Bereits zu Beginn der Pandemie gab es regen Austausch unter den Bibliotheken zur Einrichtung von „Bücherquarantänen“, also Überlegungen zur erforderlichen Dauer zwischen Rückgabe und Wiederausleihe von Büchern, die nicht gereinigt werden können. Arbeitsschritte mussten an Hygienevorschriften angepasst werden, auch hinsichtlich der Zahl von Personal, das gleichzeitig in einem Raum arbeiten darf.
Bibliotheken arbeiten hier im engen Rahmen zwischen dem Schutz von Menschen und dem Aufrechterhalten der Literaturversorgung. So wie andere Kultur- und Bildungseinrichtungen, versuchen Bibliotheken dieser Anforderung gerecht zu werden durch Einführung von Zeitslots, die fest gebucht werden können und die maximale Anzahl anwesender Personen pro Raum koordinieren. In einigen Bibliotheken wurden dafür relativ schnell Onlinebuchungssysteme aktiviert, die den Ablauf erleichtern, in anderen Bibliotheken können Termine per Mail oder telefonisch gebucht werden.
Bibliothek von Zuhause
Die während einer Pandemie notwendigen Schließungen treffen Bibliotheken genau dort, wo ihre größte Stärke liegt: als Begegnungsort. Diese wichtige soziale Rolle nehmen vor allem Öffentliche Bibliotheken wahr. Auch wenn kein digitales Angebot diese Funktion ersetzen kann, bleiben Bibliotheken mit regelmäßigen Social-Media-Aktionen sichtbar und reagieren mit flexiblen Änderungen ihrer Nutzungsbedingungen. Unter dem Schlagwort #BibliothekVonZuhause bieten einige Bibliotheken Neuanmeldungen, die sonst nur vor Ort möglich sind, seit Beginn der Pandemie auch online an, um ihren Leser*innen eine Nutzung der elektronischen Medien zu ermöglichen. Dazu gehören Ebooks, Hörbücher aber auch Filmdienste. Ein willkommenes Angebot zur Unterhaltung aber auch zum Lernen von zuhause, zumindest im ersten Lockdown 2020. Wie oft und wie lange Bibliotheken freie Onlinedienste anbieten können, hängt im Wesentlichen von der Lizenzpolitik der Verlage ab und von den verfügbaren finanziellen Mitteln der jeweiligen Bibliothek.
Mit einer Art „click & collect“ ermöglichen vor allem Stadtbibliotheken die Auswahl gewünschter Medien im Onlinekatalog und stellen diese für ihre Nutzerinnen zusammen. Mit Termin können diese dann bequem am Eingang der jeweiligen Bibliothek abgeholt werden. In diesen Bereich fallen auch Angebote zu Medienpaketen, die vom Bibliothekspersonal zusammengestellt werden und ein bisschen an das Entdecken spannender Literatur erinnern sollen.
Erlebnis und Teilhabe
Die Bibliothek als ein Ort des Verweilens, der Begegnung, der demokratischen Versorgung mit Literatur, des (Kennen)lernens, sehr oft auch eine Zuflucht vor Einsamkeit, kann gerade in diesen Aspekten durch keine Online-Angebote ersetzt werden. Virtuelle Angebote sind begrenzt, sowohl in Verfügbarkeit als auch an Reichweite. Sind sie doch nur nutzbar für Leser*innen, die über entsprechende Endgeräte verfügen, ein Moment des gesellschaftlichen Ausschlusses, den Bibliotheken in „normalen“ Zeiten durch freien Zugang zu ihren Beständen zumindest mildern können.
Ein wichtiger Grund also, um am Welttag des Buches an die nicht zu überschätzende Bedeutung von Bibliotheken für die Teilhabe in der Gesellschaft zu erinnern. Ein Hoch auf Bücher, das Lesen und die Kultur des geschriebenen Wortes und auf unsere Sehnsucht nach ihren Orten.
Autorin: Sandy Lang, 23.04.2021
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