Am 14. Juli 1881 erschien mit dem „Verzeichniss der bei der Fernsprecheinrichtung Betheiligten“ der „Fernsprech-Vermittelungs-Anlage“ in Berlin das erste Berliner Telefonbuch. Dass es zunächst nur 185 Teilnehmer enthielt und umgangssprachlich „Buch der Narren“ genannt wurde, zeigt die anfängliche Skepsis, die der Kommunikationsinnovation „Fernsprecher“ entgegen gebracht wurde. Das sollte sich jedoch schnell ändern, denn nach vier Jahren  verzeichnete das Berliner Telefonbuch  bereits 4000 Anschlüsse.

Als Nachfolgeinstitution des Reichspostmuseums verfügt das Museum für Kommunikation Berlin über einen Bestand historischer Berliner Telefonbücher, die nun in digitalisierter Form für die Jahre 1881 bis 1902 online recherchierbar sind. Über das Digitalisierungsprojekt sprachen wir mit der verantwortlichen Bibliothekarin Claudia Loest.

 

Digitalisierung als Bestandsschutz

 

Die Idee zur Digitalisierung der Berliner Telefonbücher gab es bereits seit über zehn Jahren. Aus der Einsicht, dass die Museumsstiftung für Post und Telekommunikation mit den historischen Telefonbüchern über ein Konvolut verfügt, das in dieser Form selten und für die Stadt Berlin wichtig ist, entstand der Wunsch, diesen Bestand stärker zu schützen. Das bedeutete zunächst, Zugang und Nutzung stark zu reglementieren, denn hergestellt als Massenware in hoher Auflage, handelt es sich bei den historischen Telefonbüchern um ein fragiles Material von schlechter Qualität.

Aus dem Anliegen, sowohl dem Bestandsschutz, als auch der Zugänglichkeit Rechnung zu tragen, speiste sich die Hoffnung auf einen Zeitpunkt, wo technische Möglichkeiten und entsprechende Fördermittel zur Verfügung stehen würden, um die Idee der digitalisierten Telefonbücher zu verwirklichen.

Gemeinsam stark in Kooperation

 

Essentiell für Projekte dieser Art sind Kooperationspartner. Die Umsetzung der Idee rückte näher, als man bei einem Treffen beim Forschungs- und Kompetenzzentrum für Digitalisierung Berlin (digiS) von einem Digitalisierungsprojekt der Zentralen Landesbibliothek Berlin (ZLB) erfuhr, und schon mal vorfühlen konnte, wie eine Zusammenarbeit aussehen könnte. Mit digiS und ZLB standen der Stiftung nun Kooperationspartner zur Seite, die auf Digitalisierungsprojekte spezialisiert sind, und den Prozess von der Ausschreibung bis zum Launch der Datenbank begleiten konnten.

Von dieser Expertise profitieren insbesondere kleinere Institutionen, die noch keinen Workflow dieser Art entwickeln konnten, sagt Claudia Loest. Ein wichtiger Aspekt für die Umsetzung lag auch in der Unterstützung durch das bibliothekarische Fachpublikum und deren Begeisterung für die Idee.

Die traditionell enge Kooperation von bibliothekarischen Einrichtungen, verband sich hier mit dem Wunsch, gemeinsam ein Stück des Berliner Kulturerbes zu erhalten.

 

 
Antiqua und Digits

Zu Beginn des Prozesses mussten zunächst hochwertige Scans der Telefonbücher angefertigt werden. Zu den wichtigsten Schritten im Digitalisierungsprozess gehört,  Dokumente mit Hilfe von Texterkennungssoftware durchsuchbar zu machen. Dem Prozess  kam hier zugute, dass die Telefonbücher ausschließlich in Antiqua gedruckt sind, sowie das Know-How über DFG-Richtlinien für den Umgang mit Digitalisaten, das vor allem die Kooperationspartner beisteuern konnten

 

Entstanden sind ca. 17.000 Seiten, die im Volltext durchsucht und, wie Claudia Loest besonders hervorhebt, in verschiedenen Bild-Formaten ausgegeben werden können. Hinsichtlich der Durchsuchbarkeit, war in der Erstellung passender Metadaten das Kollegium der Bibliothek gefragt. Routiniert in deren Erstellung durch die tägliche Arbeit mit Online-Katalogen, brachte die Arbeit an den Digitalisaten aber auch für die Bibliothekskolleg*innen einen Lernprozess mit sich, erfordert doch, so Claudia Loest, ein Digitalisierungsprojekt weitergehende Überlegungen zur Schaffung nützlicher Sucheinstiege. Besonders wichtig war ihr in diesem Zusammenhang, dass auch Nachträge in den Telefonbüchern abgebildet werden können, sowie die Möglichkeit zur alphabetischen Suche in einem Register unter Berücksichtigung historischer Schreibweisen.

Die entstandene Telefonbuch-Datenbank ermöglicht nun neben einem kurzen Einblick in die Geschichte der Telefonbücher, eine alphabetische und nummerische Übersicht, die in die Volltexte der einzelnen Telefonbuchseiten führt.

Stärkere Nutzung einer historischen Quelle

 

Die Frage, ob sich der Nutzerkreis durch Digitalisierungsprojekte in Bibliotheken erweiterte, kann Claudia Loest eindeutig mit Ja beantworten. Bereits mit der Sichtbarmachung von Bibliotheksbeständen der Museen im Onlinekatalog und überregionalen Verbundkatalogen, erhöhen sich die Anfragen kontinuierlich. Die Nachfrage nach historischen Telefonbüchern kommt dabei aus einem breiten Nutzerkreis von Privatpersonen, Forschenden sowie Filmproduktionen. Als historische Quelle geben die Telefonbücher Antworten auf vielfältige Fragen. Etwa zur Stadtentwicklung Berlins, zu verschwundenen Standorten und Einrichtungen und zur Recherche unter verschiedenen sozialhistorischen Aspekten. Technikhistorisch lässt sich an der Anzahl der Einträge und Auflagen der Telefonbücher ablesen, wie rasant sich der Fernsprecher von einer neuen Technologie zum alltäglichen Gebrauchsgegenstand entwickelte. Hier sieht Claudia Loest eine Analogie zur heutigen Zeit der Digitalisierung.

Die Digitalisierten Telefonbücher ergänzen das Angebot  unserer Online-Sammlungen und sind zu durchsuchen auf den Seiten der  Museumsstiftung Post und Telekommunikation. Mehr Infos zum Projekt findet Ihr in der Pressemitteilung des Museums für Kommunikation Berlin und in der neuen Ausgabe von „Das Archiv“ der DGPT.

 

Autorin: Sandy Lang, 10.12.2020