Lauch oder Spargel – wie digitale Tools das Klima retten
Wie die Klimabewegung jeden Freitag auf die Straße geht (und während Corona den Protest ins Netz verlagert), traf sich bis März alle drei Wochen der Digital Club freitags im Museum. Axel Stolzenwaldt, Lehrer, Buchhändler, Softwareentwickler und IT-Consultant, hat den Digital Club über ein halbes Jahr betreut. Im Kurzinterview erklärt er, warum es so wichtig ist, Technologie und Umwelt zu verbinden.
Regina Hock: Der Schwerpunkt bei den letzten Treffen des Digital Clubs lag auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Hast Du das Gefühl, dass die Jugendlichen, die beim Digital Club aktiv sind, sich verstärkt für Klimaschutz engagieren und digitale Tools erlernen wollen, die eine klimagerechte Zukunft befördern?
Axel Stolzenwaldt: Anfänglich sind die meisten gekommen, um einfach Programmieren zu lernen. Dass das Thema “Umweltschutz” war, schien für viele selbstverständlich zu sein. Es wird sowieso in ihrem Freundeskreis und Umfeld immer wieder diskutiert.
RH: Ihr baut kleine Messstationen, mit denen ihr den Schadstoffgehalt in der Luft ermittelt. Kannst Du kurz beschreiben, wie diese Messstationen funktionieren?
AS: Mit Sensoren kann man den Anteil von Gasen in der Luft messen, so z.B. den Sauerstoffgehalt oder den Gehalt an Stickoxiden. Diese Sensoren werden von einem Arduino ausgelesen, mit LEDs angezeigt und zur weiteren Verarbeitung an einen Raspberry Pi geliefert. Der Raspberry Pi wird dann zur Programmierung der optischen Darstellung auf einem Monitor genutzt.
digital Club im museum für kommunikation
Für den Digital Club treffen sich Jugendliche ab 12 Jahren, die Interesse an Programmierung und dem Zusammenspiel von Technik, Ökologie und Gesellschaft haben, alle drei Wochen freitags von 15 bis 17.30 Uhr. Das letzte Digital Club-Treffen fand am 21. Februar 2020 statt. Die Teilnehmer*innen erwerben Kenntnisse in der Programmierung (Python und Processing/ Java), machen sich aber auch Gedanken über technische und gesellschaftliche Fragestellungen.
RH: Welche Projekte habt Ihr noch realisiert?
AS: Das Projekt umfasst so viele einzelne Elemente – Aufbau der Messstation auf Arduino mit Sensoren und Programmierung der Visualisierung der Daten auf dem Raspberry -, dass man diese Elemente jeweils als eigene Projekte auffassen könnte. Der Digital Club ist als langfristiges Projekt angelegt: Die einzelnen Schritte bauen zwar auf den vorherigen Ergebnissen auf, sind aber auch als eigenständige Lerneinheiten zu betrachten.
Wir starten damit, dass wir erste Schritte mit Arduino machen und Erfahrungen in der Programmierung mit Python sammeln. Schritt für Schritt setzen wir dann Feuchtigkeits- und Temperatursensoren ein, mit denen wir Daten auslesen und Messwerte interpretieren. Dann stellen wir die Messdaten mittels Datenübertragung auf den Raspberry Pi grafisch dar. Wichtig sind auch die Experimente, bei denen wir Messungen an verschiedenen Stellen im Museum oder in der städtischen Umgebung machen. Die Jugendlichen erkennen schnell, dass Messungen abhängig sind von Ort und Zeit und verschiedene Standorte auch verschiedene ökologische Rahmenbedingungen mit sich bringen.
RH: Warum ist es denn aus Deiner Sicht so wichtig, Technologie und Umwelt zusammenzudenken?
AS: Die Fragen, die mich umtreiben haben “Bits und Bäume” gut formuliert. Ganz grundsätzlich würde ich sagen: Digitaler Wandel treibt gesellschaftliche Veränderungen so stark an wie vor etwa 200 Jahren die industrielle Revolution. Für mich verbinden sich die Faszination von den technischen Möglichkeiten mit den Möglichkeiten der Entwicklung demokratischer Gesellschaften. Ich denke, es sollte nicht aus einer kulturkritischen Ablehnung technischer Entwicklungen heraus die Chancen zur aktiven Gestaltung einer Gesellschaft verpasst werden. Und hier ist die Entwicklung unserer Umwelt die zentrale Herausforderung.
Gerade diejenigen, die die Demokratisierung der Gesellschaft weiter entwickeln wollen und eine ökologische Katastrophe verhindern wollen, sollten die Gestaltung technologischer Strukturen nicht den gewinnorientierten IT-Konzernen überlassen. Und dazu gehört ein gewisses Maß an informationstechnischem Grundwissen.
RH: Wenn Zeit und Geld keine Rolle spielen würden, welche Software würdest Du gerne programmieren, um das Klima zu retten?
AS: Programmieren ist heute nicht mehr die individuelle Großtat eines mit Hoodie hinter dem Monitor kauernden Nerds, sondern Teamarbeit.
Ich würde gern ein Team aufbauen, das die vorhandenen technischen Möglichkeiten nutzt, um die vorhandenen Datenmengen mit Hilfe neuronaler Netze so auszuwerten und zu präsentieren, dass Menschen bessere Informationen für Alltagsentscheidungen treffen können.
Zum Beispiel: Wann wäre es für mich am sinnvollsten die Waschmaschine zu starten, damit im Stromnetz keine Spitzenbelastungen auftreten? Wie kann ich bei mir zu Hause aufgrund meines Lebensrhythmus die Energieversorgung am sinnvollsten steuern? Welches Essen ist heute aufgrund der aktuellen Ernte die beste Wahl: Lauch oder Spargel? Wichtig bei solchen Dingen: Es darf nicht zu einer Fremdsteuerung führen. Vielleicht will ich auch im Dezember Erdbeeren essen, ich sollte nur wissen, welche Voraussetzung und Folgen meine Entscheidung hat. Und meine Daten gehören immer noch mir. Ich will keine Vernetzung und Weitergabe meiner Daten an Dritte. Grundlage dieser Entwicklung ist das Modell FOSS, Free and Open Source Software.
Schön wäre auch noch ein Aufräumroboter, der mir die Wäsche und das Staubsaugen abnimmt ;-).
Der Blogtext entstand im Rahmen der Museumsweek zum Thema #climateMW.
Sieben Tage, sieben Hashtags: Wir stecken mitten in der #MuseumWeek. Weltweit posten Museen, Gallerien, Science Center, Bibliotheken und Archive jeden Tag zu einem Hashtag: Von #heroesMW über #CultureInQuarantineMW, #togetherMW zu #MuseumMomentsMW und natürlich an diesem Freitag #climateMW. Samstag und Sonntag folgen noch die beiden Hashtags #technologyMW und #dreamsMW.
Interview: Regina Hock, 15. Mai 2020
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