Jeden Samstag beleuchten wir ein Phänomen unserer Dauerausstellung vor dem Hintergrund aktueller Geschehnisse, schlagen Verbindungen und nehmen ein passendes kommunikationswissenschaftliches Thema in den Fokus: Heute das Phänomen Teilhabe. In Zeiten der Corona-Pandemie verschiebt sich der Museumsalltag mehr und mehr ins Digitale und fordert das Museumsteam immer wieder zu kreativen Lösungen heraus. Am letzten Mittwoch sollte die Eröffnung der Ausstellung „#neuland: Ich wir & die Digitalisierung“ stattfinden. Aufgrund der aktuellen Situation war an eine klassische Eröffnung nicht zu denken. Blieben die Lichter an dem Abend im Museum aus – gingen die digitalen Museumtüren auf und luden alle Besucher*innen zu einer „digitale Sneak-Preview“ ein. So konnten die Gäste zumindest einen ersten Blick auf die neue Ausstellung erhaschen, online das Gespräch zu den Kurator*innen suchen und digital an einem Museumsevent teilhaben. Wahres Neuland für unser Museum. 
Soziale Medien, Zeitungen, Radio, Fernsehen – Sie informieren uns über das Weltgeschehen. Durch Internet und Smartphone können wir nun aktiver Teil von digitalen Gemeinschaften werden: Wir teilen unsere Meinungen, Erfahrungen und Neuigkeiten.

In Zeiten des Corona-Virus verschiebt sich Teilhabe – in allen Lebensbereichen mehr und mehr ins Digitale. So auch der Museumsbesuch. Es entsteht eine neue Form der digitalen Gemeinschaft.

Die vereinte Welt – Globales Miteinander oder digitale Ausgrenzung?

Theoretisch – denn nicht jede*r kann oder will sich beteiligen. Nicht jede*r besitzt einen Internetzugang oder ein Endgerät um sich digital zu vernetzen. Die Gründe hierfür sind divers: finanziellen Möglichkeiten, schlechte oder nicht vorhandene Infrastrukturen. Auch kann es auch am Zugang zu Wissen und an der Kompetenz für die Anwendung scheitern. Über diese Voraussetzungen verfügt nicht jede*r, weltweit sind viele Menschen ausgeschlossen.

 

Radio – das erste elektronische Massenmedium

 

Es ist heutzutage zu unserem selbstverständlichen Alltag geworden über die zahlreichen Kanäle an Informationen über das Weltgeschehen in Echtzeit heranzukommen. Vor fast 100 Jahren sah das in Deutschland noch ganz anders aus: 1923 schaltete der erste deutsche Radiosender auf Sendebetrieb. Die erste Radiosendung ging eine Stunde. Radiohören wurde zu einer sinnstiftenden Feierabendbeschäftigung und einte ganze Familien vor den mal größer mal kleineren Empfangs/Hörgeräten. Radio war für alle gedacht. Es sollte ein Unterhaltungs- und Informationsmedium für die Öffentlichkeit werden. Erstmals konnte eine große Masse an Menschen in Echtzeit an Informationen – später auch an Musik, Fußballspielen und Ansprachen teilhaben.


Radio-Pionier Hans Bredow prophezeite dem Radio eine große Zukunft

Weit über die Grenzen der Länder hinaus wird Radio einst Bedeutung haben. Es wird die Völker zu einer großen Gemeinde zusammenschließen, und ihnen durch tägliches gemeinsames Erleben die Erkenntnis vermitteln, dass sie alle Glieder einer einzigen großen geistigen Gemeinschaft sind.”
Hans Bredow


Vom Schmuckstück zum Nebenmedium

Wer in den 50er Jahren etwas von sich hielt, besaß eine repräsentative Musiktruhe. Dieses moderne Tonmöbel kombinierte Radio und Plattenspieler und enthielt gelegentlich sogar einen integrierten Fernseher. Dieses wurde zur zentralen Zierde des häuslichen Wohnzimmers. In unserer Dauerausstellung ist solch ein Schmuckstück ausgestellt. Zeitgleich wir das Radio mobil: Die großen Radios verschwinden auf einmal in kleinen Koffern und lassen sich handlich überall mit hinnehmen.
Große geistige Gemeinschaft?

In 100 Jahren hat sich viel getan: Die Endgeräte und die Informationskanäle haben sich vervielfältigt und passen sich mehr und mehr unseren Bedürfnissen an. Die Sehnsucht nach Individualität treibt diese Entwicklung voran. Ob wir zu einer großen geistigen Gemeinschaft geworden sind, wie es der Radiopionier Hans Bredow einst vorausgesagt hat? Im digitalen teilweise schon – doch ist es auch wichtig gerade in Zeiten der Corona-Pandemie Teilhabe auch im Analogen zu leben und so niemanden auszuschließen.

Text: Caroline Dörr, 27. März 2020