„April, April!“ heißt es heute, am Tag der Scherze, an dem Witzbolde traditionsgemäß andere hereinlegen. Auch wir versuchen heute unser Glück: Seit jeher träumen Visionär*innen von Zeitmaschinen, Universalübersetzern oder fliegenden Autos. Dabei findet man oft Entwürfe für die Technologien unserer Gegenwart in längst vergangenen Tagen. Am 1. Oktober 2020 eröffnen wir die Ausstellung „Back to Future – Technikvisionen zwischen Science-Fiction und Realität“. Die Ausstellung nimmt mit auf eine Zeitreise in die Zukunft von gestern und erklärt die Ursprünge von fantastischen Ideen. Wie spiegeln sich Hoffnungen darin wider und wie projizieren wir unsere Sehnsüchte in die eigene Zukunft? Apropos Hoffnungen und Sehnsüchte: Wir stellen Euch drei Objekte aus unserer Sammlung und die Idee dahinter vor, doch nicht alle hat es tatsächlich gegeben. Welche skurrilen Erfindungen sind Realität gewesen und welche haben wir uns ausgedacht? Ob wir es geschafft haben, Euch hinters Licht zu führen, erfahrt Ihr am Ende des Beitrags.

1. Sprachübertragung durch Licht

Und das lange vor der Erfindung der Glasfaser und auch noch drahtlos! 1880 wusste man noch nicht, dass man Tonsignale auf elektromagnetische Wellen modulieren kann, um sie in den Raum abzustrahlen. Bis zur Entwicklung eines Rundfunks sollte es immerhin noch 40 Jahre dauern. Man wusste auch noch nichts von Halbleitern und der photoelektrische Effekt von Selen, die Änderung der Leitfähigkeit mit der Helligkeit, kursierte als Kuriosum gerade in der Gelehrtenwelt. Und wie so oft kam die Anwendung vor dem Verständnis: Ein Hohlspiegel ist mit einer Membran verbunden, die durch Sprache zum Schwingen angeregt wird. In seinem Brennpunkt befindet sich eine Lichtquelle, im Brennpunkt eines zweiten Hohlspiegels eine Selenzelle als Wandler und fertig ist das drahtlose Richtfunk-Telefon, das das Sprachsignal über eine beachtliche Strecke von mehreren dutzend Metern transportiert.

Die Selenzelle wandelt die durch die Vibration des Hohlspiegels veränderte Lichtintensität in elektrischen Strom unterschiedlicher Stärke, der dann über einen Lautsprecher wieder in Schall umgewandelt wird. Als Lichtquelle konnte einfach Sonnenlicht dienen, das über ein Linsensystem gebündelt wird, oder wie an diesem Objekt, die Flamme eines Gasbrenners. Hier geht’s zur Auflösung.

2. Die magnetische Stempeluhr

 

Aus unserem Leben hier ist sie nicht mehr wegzudenken, ihre Verwendung in den Fabriken revolutionierte die Arbeit: Die Stempel- oder Stechuhr. Heute piepsen wir mit einem Chip ein und aus und fragen unser Stundenkonto ab, die Zeiten werden automatisch an unsere Personalabteilung übermittelt. Früher warf man einen Chip in sich drehende Fächer oder stempelte seine Anwesenheitskarte. Wie in Das Archiv 01/2020 schon beschrieben, war die Post oft Vorreiter in der Automatisierung, so auch auf dem Gebiet der Zeiterfassung. In den 1920er Jahren wurde in kleineren Postämtern ein System getestet, das ähnlich wie die heutige Diebstahlsicherung mittels RFID-Tag funktionierte: jeder Beamte trug einen unterschiedlich großen Magneten mit sich und passierte beim Betreten des Amtes eine Tür, die mit großen Antennen besetzt war.

Dort induzierte der im elektrischen Feld bewegte Magnet einen Stromimpuls, der durch einen Röhrenverstärker verstärkt wurde und in einer mechanischen Uhr einen Stift auslenkte, der auf einem laufenden Papierstreifen einen Zacken zeichnete. Die Magneten, die die Beamten mit sich trugen, waren unterschiedlich groß, so dass der Stromimpuls unterschiedlich stark und der Zacken somit auch unterschiedlich lang war. Daran konnte man erkennen, wer wann das Postamt betreten oder verlassen hatte. Hier geht’s zur Auflösung.

3. Das Antlitz des Geliebten live

In der heutigen Zeit, ganz besonders bei #wirbleibenzuhause und #socialdistancing, ist Videotelefonie unsere Verbindung nach außen, unser Ersatz für Sozialkontakte, unser Mittel gegen Einsamkeit oder auch, um im Unternehmen den Betrieb aufrechtzuhalten. Vorletzten Dienstag haben wir Euch ja schon unsere Sammlung zu diesem Gebiet vorgestellt, aber eine ganz besondere Erfindung der Reichspost haben wir unterschlagen. Bereits 1929, als das Fernsehen noch in seinen mechanischen Kinderschuhen steckte und Bilder mittels einer Spirallochscheibe abgetastet wurden, dachten findige Köpfe darüber nach, wie man dieses Medium nutzen konnte, um seinen Lieben näher zu sein. Schließlich war die Idee zur Spirallochscheibe dem Studenten Paul Nipkow an Weihnachten gekommen, als er einsam und alleine in seiner Bude hockte, weil er sich die Heimfahrt nicht leisten konnte.

Ähnlich einer Telefonzelle wurde eine Sprechverbindung aufgebaut und zusätzlich ein Bild mechanisch abgetastet und im Zwischenfilmverfahren entwickelt, erneut abgetastet und übertragen. Das Gleiche geschah mit dem Gesprächspartner, so dass dessen Bild, ebenfalls mittels Spirallochscheibe mechanisch projeziert, auf einer Mattscheibe in bequemer Blickhöhe erschien. Zur Übertragung des Signals wurden extra leistungsstarke Kabel zwischen den wichtigsten Städten des Reichs verlegt. Zur Olympiade 1936 erfreute sich das Kuriosum großer Beliebtheit. Hier geht’s zur Auflösung.

 

AUFLÖSUNG

 

 

1. Sprachübertragung durch Licht

Die erste Vision klingt ihrer Zeit sehr weit voraus und dementsprechend weit hergeholt. Jedoch existierte das Photophon tatsächlich und wurde 1880 von Alexander Graham Bell und Sumner Tainter patentiert. Unser Objekt ist ein Prinzipnachbau zu Vorführungszwecken aus dem Jahr 1906.

 

 

2. Die magnetische Stempeluhr

Auch die magnetische Stempeluhr klingt plausibel, hat sie doch Einzug in unseren Alltag gefunden und ist weit verbreitet. Aber obwohl die Post oft Spitzentechnologie mit entwickelt hat, ist dieses geniale System nur unserer Fantasie entsprungen. Das Bild zeigt das Zeitansagegerät “Sprechende Uhr” mit eingebautem Schallband von 1911. Mehr darüber findet Ihr in unserer Onlinedatenbank unter der Inventarnummer 4.2011.1486.

 

 

3. Das Antlitz des Geliebten live

Den Erfolg der sehenden Telefonzelle kann man sich ebenfalls vorstellen.Diese so genannte Gegenseh- und Sprechzelle gab es auch tatsächlich in der vorgestellten Form, allerdings war das eher lichtschwache Bild mit nur 90 Zeilen noch nicht so der Renner. Das Originalobjekt befindet sich im Deutschen Museum, im Erbe der Reichspost finden sich allerdings reichlich Bilder und Beschreibungen. Unter dem Stichwart Gegenseh- und Sprechzelle findet Ihr einige Bilder in der Onlinedatenbank.

 

Haben wir es geschafft, Euch hinters Licht zu führen?

Text: Tina Kubot und Regina Lang, 1. April 2020